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Im Wald der gehenkten Füchse

Im Wald der gehenkten Füchse

Titel: Im Wald der gehenkten Füchse
Autoren: Arto Paasilinna
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    In dem alten, ehrwürdigen Steinhaus am Humlegård in Stockholm wohnten ausschließlich begüterte Leute, wie zum Beispiel der Finne Oiva Juntunen. Von Beruf war er Gauner.
    Oiva Juntunen war schlank, etwa dreißig Jahre alt und Junggeselle, er stammte aus Vehmersalmi in der Provinz Savo. Obwohl er schon vor mehr als zehn Jahren in die weite Welt hinausgezogen war, sprach er, wenn er zum Scherzen aufgelegt war, immer noch gern ein paar Worte seines langgezogenen heimischen Dialekts.
    Oiva Juntunen stand an seinem breiten Erkerfenster und schaute hinunter auf den sonnenbeschienenen Park. Ein paar Bedienstete der Stadtreinigung fegten träge die verfaulten Ahornblätter vom letzten Herbst zu kleinen Haufen zusammen, ein frischer Frühlingswind wehte sie jedoch sofort wieder auseinander. So mussten die Männer keine Angst haben, arbeitslos zu werden.
    Juntunen vermutete, die dunkelhäutigen Arbeiter im Park stammten aus Bosnien. Einige von ihnen mochten auch Türken oder Griechen sein.
    Seinerzeit, als er selbst noch ein elender finnischer Einwanderer gewesen war, hatte auch er mit der Stockholmer Stadtreinigung und ihren Besen Bekanntschaft gemacht. Ein oder zwei Wochen lang hatte er seinen Lebensunterhalt damit verdient, die Hinterlassenschaften der schwedischen Köter von den Kieswegen der Parks zu klauben. Die Erinnerung ließ ihn immer noch schaudern. Es wäre schlimm, diese Arbeitserfahrungen erneuern zu müssen.
    Das stand allerdings kaum zu befürchten.
    Oiva Juntunen verfügte über sechsunddreißig Kilo Gold. Drei Barren zu je zwölf Kilogramm. Eigentlich gehörten sie ihm nicht, doch er beabsichtigte nicht, sie herzugeben. Er war an sie gewöhnt, hing ungemein an ihnen. Wenn man bedenkt, dass eine Unze Feingold vierhundert US -Dollar wert war, versteht man Oiva Juntunens Anhänglichkeit leicht. Eine Unze wiegt nur 31,2 Gramm, und da der Kurs des Dollars etwa bei fünf Kronen lag, ergaben sechsunddreißig Kilogramm Gold immerhin 2,3 Millionen Kronen. In finnischem Geld machte das ungefähr 2 Millionen Mark.
    Vor fünf Jahren waren es ursprünglich einmal vier Barren gewesen. Jetzt fehlte einer: Oiva Juntunen hatte damit sein verschwenderisches und müßiges Leben finanziert. Er fuhr nur neue, große Wagen, trank Jahrgangsweine und reiste prinzipiell nur erster Klasse. Die Polstergarnitur in seinem Wohnzimmer war aus Leder. Er schritt über Teppichboden, der zwei Zoll unter den Pantoffeln nachgab. Zweimal pro Woche wurde die Fünfzimmerwohnung fachkundig von einer fünzigjährigen, an Krampfadern leidenden Jugoslawin gereinigt. Wenn Oiva Juntunen zufällig zu Hause war, gab er ihr jedesmal zwei Kronen Trinkgeld. Er hielt große Stücke auf diese Putzfrau, denn sie war fleißig und bestahl ihn kaum. Oiva Juntunen wusste Ehrlichkeit zu würdigen, denn er war ein Gauner.
    Das Gold hatte er vor fünf Jahren der norwegischen Staatsbank geraubt. Die Norweger hatten gerade in ihrem Kontinentalsockel gewaltige Mengen Öl gefunden und daraufhin begonnen, mit dem Geld nur so um sich zu werfen. Die Staatsbank musste im Ausland Gold ankaufen, damit die einheimischen Banknoten nicht zu bloßem Papier verkamen. Im Allgemeinen wurde das Gold aus Australien oder Südafrika eingeführt. Mit Zunahme des Ölfiebers kaufte Norwegen sogar Gold aus Namibia.
    Zu jener Zeit traf Oiva daheim in Vehmersalmi seinen Cousin, der in den fünfziger Jahren nach Australien ausgewandert war. Man saß zusammen in der Sauna, schwitzte und peitschte sich eifrig mit Birkenruten.
    »Du bist doch ein Gauner, oder?«, fing der Cousin auf einmal an und schüttete einen Schwall Wasser auf die Steine. »Also, ich an deiner Stelle würde mich nicht länger mit Kleinkram abgeben und mir auf einen Schlag soviel besorgen, dass ich nicht dauernd auf Achse sein muss.«
    Der Cousin besaß in Sydney eine Tischlerei, deren Dienste der australische Staat hin und wieder in Anspruch nahm. Das Gold, das aus den Gruben kam, wurde in stabile Holzkisten verpackt, und eben diese entstanden in der Werkstatt des Cousins. Jede Kiste fasste etwas über zweihundert Kilo Gold, in Barren zu je zwölf Kilo.
    »Ich kriege das Gold gar nicht zu sehen, aber ich weiß, dass es in diesen Kisten auf Schiffe geladen wird, und die Abfahrtszeiten der Schiffe kann jeder unter den Hafennachrichten in der Zeitung nachlesen.«
    »Warum schicken sie das Gold nicht mit dem Flugzeug?«, fragte Oiva Juntunen mit wachsendem Interesse.
    Der Cousin behauptete, Flugtransporte seien zu
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