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Grundwache

Grundwache

Titel: Grundwache
Autoren: Laurent Bach
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schon zeigen, dass du dich nicht unterkriegen lässt. Vitali kam aus dem Heck des Bootes, wo er für das Ruderhydrauliksystem und die Feuerlöschanlage zuständig war. Gern hätte er mit ihm eine gemeinsame Schicht gehabt, denn sie arbeiteten praktisch nebeneinander, nur durch das Schott getrennt.
    „Alles klar?“, raunte Vitali.
    „Ja, bis dann mal.“
    Als würde sein Kamerad wittern, dass etwas nicht in Ordnung war, hob er die Nase und kniff die Augen zusammen. Doch er sagte nichts, ging weiter und schaute sich nur noch einmal skeptisch nach ihm um. Was würde es nützen, wenn Alexej sich bei ihm ausheulte? Er war eigentlich kein Weichei und war noch keiner Prügelei aus dem Weg gegangen, doch das hier war etwas anderes. Sein Schwachpunkt war anvisiert und getroffen worden, ein Volltreffer und er war k.o. gegangen, ohne längere Umschweife, einfach so. Dabei konnte Kolja rein gar nichts beweisen. Alexej erkannte, dass er selbst der Schwachpunkt war. Kolja hatte im Trüben gefischt und Alexejs Reaktion musste ihm einfach Recht geben. Er beschloss, sich von nun an keine Blöße mehr zu geben, sondern Rückrat zu zeigen. Er war ja schließlich nicht schwul. Er musste einfach daran glauben, es war doch so einfach.
    Heute war sein Vorgesetzter unzufrieden mit der Ladegeschwindigkeit der Akkumulatoren und Alexej verbrachte seine Schicht fast zur Gänze bei den Elektromotoren, die die durch die Dieselfahrt gewonnene Energie an die Akkus weitergaben. In der nachfolgenden Freizeit schaute Alexej seinen Kameraden beim Kartenspiel über die Schulter, bemerkte jedoch, dass zwei von ihnen das Kartenspiel aufgaben, als er n äherkam. Seine Antennen für unheilbringende Situationen waren inzwischen so fein, dass er ahnte, wie es hierzu gekommen war. Hartnäckig, aber schweigsam, verharrte er dort, wo er war, schaute zu, brummte mal einen Kommentar und war froh, als Vitalis Beine unter dem Kojenvorhang erschienen. Er stand auf, Alexej konnte es sich nun bequem machen. Während er sich auszog, verstummten die Dieselmotoren, die Elektromotoren sprangen an und das Schiff neigte sich unmerklich zur Tauchfahrt, während das Wasser in die Schlitze an den Seiten eindrang und in die Ballasttanks strömte. Auf und ab, quer durch die See - wo waren sie wohl inzwischen? Ob der Kapitän bereits mit den Manövern begonnen hatte? Hier bekam er ja nichts mit, er merkte nicht, ob sie in Funkkontakt mit Kreuzern standen, die sie suchen sollten. Er bekam nicht mit, ob Radar oder Sonar ihre mit Gummi ummantelte Außenhülle aufspürten. Er bemerkte die Freude in der Kommandozentrale nicht, wenn es ihnen gelang, plötzlich direkt neben einem „feindlichen“ Schiff aufzutauchen. Waffenübungen, ja, die würde er bemerken, denn dann herrschte Hektik und Anspannung im Torpedoraum und Kolja würde sich die Seele aus dem Leib schreien.
    Drei weitere Tage vergingen. Die Zeit vermischte sich zu einem Einerlei, selbst die tägliche Routine aus Schlaf, Freizeit, Essen und Dienstzeit sagte ihm nicht, ob es Morgen oder Abend war, welcher Tag es war. Wenn die Mannschaft zum Rauchen auf Deck durfte, war Alexej immer überrascht, weil der Nachthimmel sich über ihm erhob, wo er doch mit Tageslicht gerechnet hatte. Trotzdem waren diese Minuten so wundervoll, dass er das Funkeln der Sterne wie gebannt betrachtete, als würden sie Grüße aus der Heimat morsen. Eis war nicht zu sehen. Der Nordatlantikstrom sorgte dafür, dass die südliche Barentssee um diese Zeit meist eisfrei war. Doch die Luft, so kalt und frisch, drang wie ein elektrisierender Hauch in seine Lungen und er versuchte, sich ihrer kühlen Süße so lange wie möglich zu erinnern, wenn er wieder hinunter in den Mief gestiegen war. Wenn ihn eine melancholische Stimmung ergriff, wichste er in seiner Koje manchmal in ein Papiertaschentuch, natürlich so leise wie möglich, obwohl es sich nicht ganz vermeiden ließ, gehört zu werden. Andere Kameraden taten es auch. Vitali gab sich freundlich wie immer, doch es ergab sich keine weitere Gelegenheit zum Sex, sodass es Alexej vorkam, er hätte ihren gemeinsamen Akt nur geträumt. Kolja ließ ihn jedoch nicht in Ruhe. Immer wieder gab es verbale Attacken, Rempeleien, die er mit kaltem Gesichtsausdruck über sich ergehen ließ. Vitali wurde Zeuge, doch er griff nicht ein. Nur sein versteinertes Gesicht zeigte an, was er darüber dachte. Und ein geheimer Händedruck richtete Alexej immer wieder auf, sodass er die Zähne zusammenbiss.
    „Wir müssen uns
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