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Grundwache

Grundwache

Titel: Grundwache
Autoren: Laurent Bach
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schmerzte fast, so angespannt war sein Gesicht. Er bewegte den Kopf hin und her, um seinen Nacken geschmeidig zu machen, als hätte Vitali ihn statt Kolja festgehalten.
    „Hast du wirklich einen Onkel im Ministerium?“, fragte er voller Bewunderung.
    „Quatsch.“ Vitali starrte auf einen Torpedo, der etwas entfernt in seiner Halterung ruhte.
    Da spürte Alexej, wie das Blut seinen Kopf verließ. Ihm wurde kalt.
    „Er wird das merken, Vitali! Er braucht nur unseren Geheimdiensttypen hier zu fragen. Er wird sich rächen!“
    Da wandte Vi tali ihm seinen Kopf zu, sein Blick war schwermütig. Dieser Ausdruck erschreckte ihn, es lag eine seltsame Todessehnsucht in ihm und mit einem Mal kam Vitali ihm fremd und exotisch vor. Was war er nur für ein Mensch? Furchtlos, entschlossen, hilfsbereit und - traurig. Ihm fiel auf, dass er Vitali so gut wie gar nicht kannte, ebenso wenig wie seine anderen Kameraden. Dabei hockten sie so eng aufeinander.
    „Wir werden sowieso bald sterben“, sagte dieser und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    „Was meinst du damit?“
    „Gar nichts.“
    Vitali ging davon und ließ ihn mit der unbestimmten Ahnung zurück, dass sein Kamerad ein düsteres Geheimnis mit sich trug.
     
     
    Während seiner Schlafzeit kam Vitali zu ihm in die Koje und sie liebten sich ebenso ausgehungert wie beim ersten Mal. Alexej begab sich unter seinen Schutz, unter seine Führung und niemand im Torpedoraum wagte es, die Geräusche, die sie machten, abfällig zu kommentieren. Vitali kniete sich über ihn und als Alexej seine Finger und dann sein Glied in seinem Hintern spürte, fragte er nicht nach einem Kondom. Vitali hatte gesagt, dass sie alle bald sterben würden, also kam es nicht mehr drauf an. Er ließ seine behutsamen Stößen in einer entrückten Stimmung über sich ergehen und als Vitali ihn später mit dem Mund befriedigte, betrachtete er seine geschlossenen Augen mit den langen Wimpern, als sei er auf der Suche nach einer Heilsbotschaft. Vitali hatte Macht über ihn und er unterwarf sich ihm gern. Jedenfalls war klar, dass in diesem Moment ihr verrückter Akt in die Annalen der glorreichen Sowjetarmee einging. Das allein stimmte ihn zufrieden und zuversichtlich. Alles würde gut.
     
    Während der nächsten Schicht spürte Alexej die Blicke, die ihm folgten, sobald er vorüberging. Er hörte das Flüstern, doch kein Lachen, keine hämische Bemerkung. Als Vitali sich von ihm gerollt hatte und gegangen war, hatte er noch einem Spötter die Faust in den Magen gegraben, sodass dieser zusammengeklappt war und sich getrollt hatte. Der Vorfall mit Kolja, der sich kaum noch in der Nähe des Torpedoraums sehen ließ, sowie dieser Hieb hatten allen klar gemacht, dass mit Vitali nicht gut Kirschen essen war. Alexej sonnte sich während der nächsten zwei Tage in seinem Ruhm, wenn auch mit einer unguten Ahnung, die ihn immer öfter beschlich und die er sich nicht erklären konnte. Als sie wieder einmal in der Toilette Sex hatten, legte Vitali seinen Kopf in einer Art Hilflosigkeit an seine Schulter. Nur eine kurze Geste, eine Art Ausruhen, eine Suche nach Trost, so kam es Alexej vor. Doch er war noch mehr verwirrt, als er an seinem Ohr hörte: „Verzeih mir.“
    „Was? Was soll ich dir verzeihen?“
    Doch Vitali hatte nur gelächelt und den Kopf wieder stolz in den Nacken geworfen.
    „Schon gut.“
    Da fiel Alexej ein, dass er noch etwas zu klären hatte.
    „Du bist aber schon schwul, nicht wahr?“
    Vitali hatte sich schon zum Gehen gewandt, als er nun zurückblickte und grinste: „Stockschwul.“
    Fast dankbar hatte Alexej genickt. Und als Vitali unbehelligt an Kolja vorüberging und später auch Alexej nicht vom Bootsmann angesprochen wurde, erlaubte er sich, für einen Tag glücklich zu sein.
     
     
    Am nächsten Tag arbeiteten sie beide nebeneinander. Wie es Vitali gelungen war, eine gemeinsame Schicht zu ergattern, brauchte er nicht lange fragen. Doch es ging eine nervöse Unruhe von seinem Freund aus. Immer wieder schaute er auf die Uhr. Einmal steckte er den Kopf durch das Schott und sagte:
    „Bleib heute morgen hier in Abteilung 6, ja?“
    „Warum?“
    „Ist besser für dich.“
    Da hielt es Alexej nicht mehr aus. Seit ein paar Tagen dachte er über Vitalis seltsame Todesahnung nach und er machte sich Gedanken, ob es wirklich gut war, diese Ahnung in einem alten, seit langem nicht mehr ordentlich gewarteten U-Boot, das eine Tauchtiefe von 400 Metern erreichen konnte, überhaupt
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