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Grundwache

Grundwache

Titel: Grundwache
Autoren: Laurent Bach
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über die Lippen.
    „Nein, ich auch nicht.“
    „Dann ist es doch gut“, sagte Vitali und warf sich in die Koje zurück, wo er sich reckte und streckte. Er sah so zufrieden und ausgeschlafen aus und Alexej beneidete ihn um die Ruhe, die er ausstrahlte, während sein Herz immer noch klopfte. Warum nur hatte Vitali das gesagt? War er vielleicht bi? Dann gab er es auf, sich darüber Gedanken zu machen. Er war allein, wie fast immer. Wer wollte schon etwas mit einem Schwulen zu tun haben? Er konnte Vitali kaum vorwerfen, keinen schwulen Stolz gezeigt zu haben - er hatte ja selbst keinen. Mit einem Seufzen machte er sich auf, um ein Putztuch zu holen, während Vitali endlich aufstand und sich das leichte Oberteil seiner Matrosenuniform über den Kopf zog, das schon einige Flecken aufwies. Als er den Boden sauber gewischt hatte, war Vitali dienstbereit. Zuerst schaute er sich um, ob jemand in der Nähe war. Gedämpftes Schnarchen war zu hören, zwei Kameraden unterhielten sich und achteten nicht auf sie. Dann spürte Alexej mit einem Mal eine Hand, die seinen Nacken liebkoste.
    „Schlaf gut“, sagte Vitali und lächelte.
    Alexej sah ihm nach, musterte die schmale Gestalt, den knackigen Hintern, die knochigen, kräftigen Schultern und den geschorenen Hinterkopf. Vitalis Gang war fest und voller Energie. Alexej schüttelte den Kopf. Er durfte sich jetzt nicht verlieben. Und doch hatte Vitali ihm ein wundervolles Lächeln geschenkt. Er streckte sich auf der noch warmen Koje aus. Vitalis Wärme, sein Schweiß, sein Speichel steckte in diesen Decken und Kissen, er war ihm so nah. Wer war schon Kolja? Kolja konnte ihn mal. Schließlich war er ja gar nicht schwul. Alexej grinste. Vielleicht würde es ja helfen, die Wahrheit einfach auszutricksen und sich einzureden, alles sein in bester Ordnung. Als er sich zudeckte, war ihm, als läge er geborgen in Vitalis Armen.
     
     
    Eine lauwarme Welle überkam ihn, er schnappten nach Luft und stieß sich fast den Kopf an einem Rohr, als er sich entsetzt aufrichtete. Aus seinen Haaren fielen Tropfen auf die Decke. Es roch nach - Urin.
    „He, du Schwuchtel, aufstehen!“ blies Kolja, der sich zu ihm hinunter gebückt hatte, in seine Ohren. Dann warf er ihm die leere Konservendose auf die Brust.
    „Und mach die Schweinerei hier weg. Das sieht ja aus hier!“
    Fassungslos öffnete Alexej seinen Mund, doch er brachte kein Wort heraus. Wie üblich, war Kolja schon wieder gegangen. Pjotr zog mit spitzen Fingern die feuchte Decke weg und sagte:
    „Mann, was hast du denn ausgefressen, dass er dich so hasst?“
    Ein eiserner Panzer lag um Alexejs Körper, steif rappelte er sich auf und zuckte die Achseln.
    „Weiß ich doch nicht.“
    Als er merkte, dass seine Lippen zitterten, riss er sich zusammen. Automatisch schaute er sich nach Vitali um, doch der war noch nicht zu sehen. Verwirrt holte er Seife und Handtuch aus seinem Schränkchen, tastete sich wie blind zum Waschbecken in der 3. Abteilung und wusch sich notdürftig den Gestank aus Haaren und Gesicht. Besser fühlte er sich danach nicht, die Seife schäumte kaum wegen des Wassers aus der Entsalzungsanlage.
    Der Duft der Rindsrouladen mit Nudeln bereitete ihm Übelkeit, er rührte das Essen kaum an, trank nur ein paar Schluck Kaffee und hortete eine Flasche Wasser in seiner Koje. In seinem Herzen brannte die Scham und der Zorn auf di esen homophoben Idioten, der ihn in den nächsten drei Monaten zugrunde richten konnte, wenn ihm der Sinn danach stand. Alexej schluckte seine Verzweiflung herunter und trat seinen Dienst an. Auf dem Weg zum E-Maschinenraum begegnete ihm der Bootsmann. Er stand wie üblich im Gang und hielt seine Untergebenen zur Eile an. Wie ein unüberwindliches Hindernis ragte er dort auf. Alexej überlegte, ob es eine andere Möglichkeit gab, seinen Posten zu erreichen.
    „Dawai, dawai, Rosanov!“
    Zu spät, Kolja hatte ihn bemerkt. Eilig ging er auf ihn zu und bemühte sich, eine unbeteiligte Miene aufzusetzen. Zu seiner Überraschung ließ Kolja ihn passieren, ohne ihn anzurempeln oder gar anzusprechen. Den Grund dafür erkannte er, als der Kapitän, ein bärtiger, schlanker Mann von ungefähr 35 Jahren, den Bootsmann zu sich heranwinkte, um etwas mit ihm zu besprechen. Alexej atmete auf. Wenn er nur einen Tag in Ruhe an seinen Batterie-Anzeigen, Elektromotoren und Leitungen arbeiten könnte, wäre er wieder ein Schritt weiter. Immer mit der Ruhe, sagte er sich, ein Tag nach dem nächsten. Du wirst dem Schwein
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