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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens
Autoren: Michael Lutz
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mich
persönlich um die Aufklärung kümmern und zu gegebener Zeit wieder auf Sie zukommen.«
    Direktor Herrmann von Eckersdorff betrachtete das Gespräch als
beendet. Kilar runzelte zwar die Stirn, aber es wäre ihm nie in den Sinn gekommen,
die einsamen Entscheidungen seines Vorgesetzten zu hinterfragen. Er erhob sich
wortlos und verließ den Raum.
    Von Eckersdorff verharrte noch sekundenlang in Gedanken. Dann
griff er in seine schwarze Saffian-Ledermappe, die er stets bei sich trug, und
zog eine mit dem Aufdruck ›Streng geheim‹ gekennzeichnete Akte hervor, die den
Namen ›Operation Alamut‹ trug. In dieser Akte ging es ausschließlich um Michael
Gromek. Er öffnete den Aktendeckel und blätterte ein wenig in den darin
abgehefteten Seiten, ohne sich wirklich auf den Inhalt des Dokuments zu
konzentrieren, der ihm ohnehin bis ins kleinste Detail vertraut war. Einige
Minuten später klappte er den Deckel wieder zu und verstaute die Akte
sorgfältig in seinen persönlichen Unterlagen. Herrmann von Eckersdorff war
zufrieden.
     
    Binnen Minuten hatten sich die prallen Wolken, die schon den ganzen
Tag über Berlin gehangen hatten, über die einst in Ost und West geteilte
Metropole ergossen und ihre Bewohner in die Häuser getrieben. Auf der Fahrt
durch die nachtschwarze, vom Wolkenbruch gereinigte Stadt, deren Straßen und
Gehwege nass glitzerten, während die mit unzähligen Regentropfen übersäten
Fenster der Autos Kaleidoskop artig funkelten, klingelte das Mobiltelefon.
Gromeks Vorahnung hatte sich als richtig erwiesen.
    »Gromek.«
    »Es liegt eine Nachricht vor.«
    Gromek war an den für Aufträge dieser Kategorie typischen Telegrammstil
gewöhnt. Er schaltete das Telefon aus und steckte es in die Innentasche seines
Sakkos. Immer, wenn es dreckige Arbeit zu erledigen gab, ging es ihm dabei
durch den Kopf, wurde er geholt.
     
    Vor dem Sheraton -Hotel am Kurfürstendamm hielt Gromek an.
Er öffnete den Kofferraum seines Wagens und holte einen Laptop heraus. Der mit
grauem Zylinder und grauer Uniform ausstaffierte Portier, dessen goldene
Schulterklappen einem Feldherrn aus dem 17. Jahrhundert alle Ehre gemacht
hätten, grüßte ihn freundlich und blickte gleich darauf zum Himmel, um
abzuschätzen, ob es in der Nacht noch einmal regnen würde.
    Wenige Augenblicke später trat Gromek aus dem Hotelfahrstuhl in
einen vornehm stillen Flur. Mit leisem Rumpeln schlossen sich die
Fahrstuhltüren hinter ihm. Er hörte, wie der Lift zügig davon schwebte und
gleich wieder stoppte. Gromek sah sich um und wandte sich nach kurzer
Überlegung der linken Ganghälfte zu. Langsam ging er an den einzelnen Türen
vorbei. Einige Meter vor dem Ende des Flurs entschied er sich für eines der
Zimmer. Gromek stellte seinen tragbaren Computer ab und zog eine Universal-Schlüsselkarte
aus seiner Brusttasche. Er verfügte über eine ganze Palette dieser
›Sesam-öffne-Dich‹-Karten, mit denen sich nur einfach kodierte elektronische
Schlösser ohne weiteres öffnen ließen.
    Durch einen schmalen Spalt schaute Gromek in den dunklen Raum und musste
feststellen, dass dieser nicht so leer war, wie er erwartet hatte.
    »Mist!« presste er unhörbar zwischen den Zähnen hervor: Aus der
unergründlichen Schwärze des Raumes drangen die intimen Geräusche eines
Liebespaares. Dabei gab sich der an dem Liebesakt beteiligte Mann anscheinend
besondere Mühe, die er in einwandfreier akustischer Qualität dokumentierte.
Gromek zog die Tür behutsam wieder ins Schloss, hatte aber keine allzu große
Hoffnung, dass ihr Öffnen nicht bemerkt worden war.
    Kurzerhand versuchte er sein Glück im Nachbarzimmer.
    Wieder öffnete er die Tür schnell und zuverlässig. Aufmerksam
betrat er den menschenleeren Raum. Vor einem der Fenster stand ein heller,
hölzerner Sekretär, auf dem eine in dunkles Leder gebundene Bibel lag. Das
Zimmermädchen musste sie übersehen haben. Gromek räumte die Bibel in eine der
Schubladen des Möbels und platzierte den Laptop ohne integrierte
Internetverbindung auf der Schreibfläche. Kurz darauf war das Gerät per externen
Modem an die Telefondose angeschlossen. Er bevorzugte diese altmodische und
zeitraubende Vorgehensweise, weil sie ihm einen absolut anonymen und nicht rückverfolgbaren
Zugriff auf die von ihm benötigten Daten garantierte.
    Ehe er sich an die Arbeit machte, schaltete Gromek den Fernseher
ein, der auf einer Kommode gegenüber dem Bett stand. Per Fernbedienung suchte
er einen der Nachrichtensender, in der
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