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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens
Autoren: Michael Lutz
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Corvette bestand. Neben ein paar
unbedeutenden Kratzern am Lack des Lexus .
    Anscheinend war ›Mr.
Wichtig‹ gewohnt, Tatsachen ganz nach seinem Belieben zu deuten. Juristen eben.
Aber da war er bei mir an der falschen Adresse.
    »Naja, vielleicht war
die Frage zu komplex und vielschichtig für Sie«, gab ich einfühlsam zu bedenken
und steckte ihm meine NYPD-Visitenkarte in die Brusttasche seines Sakkos.
    »Melden Sie sich, wenn
Sie Ihren Rausch ausgeschlafen haben«, ermunterte ich ihn und klopfte dem
Kleinen aufmunternd auf die Schulter. »Dann sehen Sie die Sache vielleicht in
einem anderen - nüchternen - Licht.«
    Damit ließ ich ihn stehen.
    Der stellvertretende
Bezirks-Staatsanwalt Wilbur S. McCormack tobte weiter. Diesmal wie zwei
Erdmännchen auf Speed, die einander nicht wohlgesonnen waren.
    »Was fällt Ihnen ein,
junger Mann!? Bleiben Sie hier! Wo wollen Sie denn hin? Das darf doch wohl nicht
wahr sein!«
    Ich wartete nicht
darauf, ob er sich wie ein trotziges Kind zu Boden werfen und mit allen Vieren
strampeln würde. Stattdessen startete ich den Wagen und setzte meinen Weg zu
dem besten China-Restaurant des Viertels fort. Neben mir Edna. Um so belanglose
Dinge wie ein Rücklicht oder einen Stoßfänger würde ich mich in einem anderen
Leben kümmern.
    »War das wirklich der
stellvertretende Bezirks-Staatsanwalt, Dante?« fragte meine Begleiterin
sichtlich beeindruckt.
    Ich zuckte mit den
Schultern.
    »Wenn diese Nervensäge
so weiter macht und das Trinken nicht lässt, dann ist er bald die längste Zeit
stellvertretender Bezirks-Staatsanwalt gewesen. Das kann ich Dir versichern,
mein Liebes.«
    »Oh, Dante, Du bist so
stark und so männlich! Und Du weißt so viele putzige Sachen!«
    Edna rückte näher heran.
Ihre Oberweite auch. Mir wurde es warm. Sie war der Typ, der auf Polizisten,
Feuerwehrmänner, Soldaten und Geheimagenten mit der Lizenz zu töten, abfuhr.
    »Warum nennt man Dich
eigentlich Dante ›Inferno‹, mein kleiner Pinocchio …?« Während Edna das fragte,
verlängerte sie mit ihrem Zeigefinger meine Nase um fünf Meter.
    »Infernocchio. Meine
holde Schöne aus dem Morgenlande: Infernocchio ...!«
    Edna seufzte wie ein
Baby nach dem Fläschchen. Fehlte nur noch der Schnulli und das Bäuerchen.
Wahrscheinlich sah sie in Gedanken, wie ich sie im Lendenschurz in einem
Tropen-Dschungel vor King Kong errettete. Und wie wir uns gleich darauf in
einen Jacuzzi erfrischten. Umring von eilfertigen Dienern in makellosen
Uniformen. Frauen waren zuweilen schon ein lustiges Völkchen.
    »Dante ›Inferno‹, das
klingt so, so - poemisch!«
    »Du meinst wohl
›poetisch‹. Naja, das ist eine lange Geschichte.«
    »So lang wie ... Chaos
und Feuer?«
    »Du meinst wohl ›Krieg
und Frieden‹? Also so lang nun auch wieder nicht. Hat eher die Qualität eines
Schundheftchens, wenn Du verstehst, was ich meine ...«
    »Hmmm. Erzähl' mir nur
den Schluss, mein Schneuselchen!«
    Ich fühlte etwas Nasses,
Warmes an meinem Ohr. Es bewegte sich hin- und her. Auf und ab.
    »›S c h n e u s e l c h
e n ...?‹ Nenn' mich doch einfach ›Dante den Großen‹ oder ›Dante den
Erbarmungslosen‹, aber doch nicht ...«
    Edna kicherte und
gluckste und stupste mich mit ihrem Zeigefinger in den Bauch. Allmählich kam
ich mir vor wie ein Kapitän, dem man die prachtvolle Uniform gelassen hatte,
das Kommando aber andere übernommen hatten - Frauen!
    »Ich bin ganz Ohr!«
säuselte sie mir in den hintersten Gehörgang, den ich hatte.
    »Naja, es war vor einer
Weile in Little Italy. Mein Partner Nick und ich ermittelten gegen einen
Mafia-Paten. Und da war dieses kleine Missverständnis ...«
    »... Was war passiert!?«
fragte sie entsetzt, so, als ob es gerade eben hier im Wagen geschehen wäre.
    »Es flog etwas in die
Luft, was nicht hätte in die Luft fliegen sollen ...«
    »... Das ist ja sooo
romantisch, mein kleiner Dante! Ich bin ja so stolz auf Dich! Ich glaube, heute
Abend wird es ein weiteres Inferno geben - in meiner Wohnung. Und die liegt
nicht in Little Italy ...«
    Endlich mal eine Frau,
die sich so ausdrücken konnte, dass ich sie verstand.
     
    Der tobsüchtige Wilbur
S. McCormack stand immer noch neben seiner 100.000-Dollar-Karre und raufte sich
die Glatze.
     
    Hinter einem Fenster des
›Drachenhauses‹ fiel eine Gardine in ihre ursprüngliche Position zurück.
     Wer immer diese Szene
beobachtet hatte, hatte genug gesehen.
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