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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens
Autoren: Michael Lutz
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Prolog
     
    Das herrschaftliche Anwesen, das Mitte des 19. Jahrhunderts von
einem hanseatischen Kaufmann erbaut worden war, lag malerisch umwaldet in einer
Talsenke außerhalb von Berlin, nah der Grenze zur Brandenburgischen Gemarkung.
Ein weitläufiger See erstreckte sich glatt und still hinter einem halben
Dutzend verrußter, einstmals graphitgrauer Schornsteine. Silbern glänzte seine
Oberfläche in der aufgehenden Morgensonne.
    Am Ostufer flog ein Fischreiher auf. Er hob sich mit ein paar
Flügelschlägen über das Schilfdickicht und glitt hinter dem Hauptgebäude
entlang, bevor er in einem weiten Bogen über das angrenzende Waldstück
abstrich.
    Dass dieses Herrenhaus - welches im Laufe der Dekaden mehrmals den
Besitzer gewechselt hatte - keine gewöhnliche Immobilie war, ließ sich daran
erkennen, dass die Sicherheitsvorkehrungen außerordentlich waren. Auf einer
kilometerlangen, an einigen Stellen mit Stahlbeton verstärkten Steinmauer
thronten Dutzende von Video-Kameras und unter Strom stehende Drähte. Daneben
gab es rund um die Uhr mit Maschinenpistolen bewaffnete Hunde- und Fahrzeug-Patrouillen.
Die 34 Männer und 12 Frauen des Wachpersonals waren allesamt gut ausgebildete
Beamte der Sicherungsgruppe Berlin des Bundeskriminalamts. Jeder einzelne hatte
die ausdrückliche Genehmigung, im Ernstfall von der Schusswaffe Gebrauch zu
machen.
    Es gab noch eine Reihe
anderer Vorkehrungen, doch die waren unsichtbar und ließen sich nur vermuten;
zum Beispiel die mit dem Kontrollraum im Kellergeschoß des Herrenhauses
verbundenen, in Knöchelhöhe über das Gelände gespannten elektrischen
Stolperdrähte. Oder verschiedene hochentwickelte Infrarot-, Laser- und
Akustiksysteme. Selbstverständlich funktionierte die flächendeckende
Überwachung des 60-Hektar-Areals bei Dunkelheit und schlechtem Wetter ebenso
gut wie am Tag.
     
    Zwei Limousinen der 500er Mercedes S-Klasse mit Berliner Kennzeichen fuhren versetzt und in geringem Abstand
zueinander die Talsenke hinab und auf das Haupttor des Anwesens zu. Die Fahrzeuge
waren rundum gepanzert und mit verzerrendem Spezialglas versehen, welches die
Chauffeure zwang, besonders aufmerksam zu fahren.
    In diesem Moment entsprach der Farbton der Limousinen exakt dem
Farbenspiel, welches das blasse, von dünnen Wolkenfäden verschleierte
Tagesgestirn zu dieser Stunde auf dem Gemäuer des Herrenhauses hervorzauberte.
    Die Wagen stoppten Stoßfänger an Stoßfänger am Tor und konnten
zügig, noch ehe sich der eben verstummte Gesang der heimischen Vögel wieder
hell und vielstimmig erhob, die Torwachen passieren. Die Fahrzeuge knirschten
über Kies und rollten vor das Hauptportal des Anwesens.
    Aus dem hinteren Fahrzeug sprangen, kaum dass die kugelsicheren
Reifen zum Stehen gekommen waren, drei BKA-Personenschützer. Sie entsprachen
nicht der landläufigen Vorstellung von Bodyguards. Es waren junge Männer, keine
30 Jahre alt. Ihre Körper waren sportlich gebaut, jedoch ohne mühsam
antrainierte Muskelberge. Die Anzüge der Beamten waren von der Stange. Wäre man
einem von ihnen in der Bankfiliale um die Ecke über den Weg gelaufen - man
hätte geglaubt, es mit einem Sachbearbeiter zu tun zu haben.
    Das einzige für Eingeweihte erkennbare Zeichen ihrer besonderen
Tätigkeit waren die kleinen, runden Anstecker am Revers ihrer Jacketts. Auf
sonnengelbem Grund zeigten sie den schwarzen Adler der Bundesrepublik
Deutschland.
    Im Laufschritt kamen die drei Leibwächter nach vorn. Dort trafen
sie mit ihren beiden Kollegen aus dem Hauptwagen zusammen, von denen soeben
einer die Tür des Fonds öffnete. Respektvoll warteten die Männer, bis ihr
Schutzbefohlener ausstieg.
    Herrmann von Eckersdorff war ganz Herr der alten Schule. Zwar sah
man ihm sein Alter von 60 Jahren an, doch sein Gang war aufrecht und seine
Bewegungen geschmeidig. Mit Schal, Mantel, exotisch nach ihrem Herkunftsland im
karibischen Meer duftender Havanna-Zigarre und altmodischem englischem Bowler
gab er eine überaus passable Figur ab. So manche reifere Dame hatte beim
Anblick von Herrmann von Eckersdorff ihr Herz noch einmal verloren.
    Die fünf Leibwächter nahmen von Eckersdorff in angemessenem
Abstand in ihre Mitte. Sie passten sich seinem Schritt-Tempo an und begleiteten
ihn bis vor das eisenbeschlagene Portal, an dem ein altmodischer Löwenkopf-Türklopfer
mit Nasenring hing. Ein Bediensteter in dunkler Livree öffnete, gab den Weg
frei und verbeugte sich. Anschließend nahm er geschickt von Eckersdorff' Schal
und
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