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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens
Autoren: Michael Lutz
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Hoffnung, weitere Neuigkeiten über den
Mordanschlag im EU-Gebäude in Brüssel zu erfahren. Er landete auf n-tv .
Aber dort lief nur Werbung.
    Während er eine Reihe von Befehlen in den Laptop eingab, hörte
Gromek, wie das Bett des Nachbarzimmers rhythmisch gegen die Wand stieß und den
Bilderrahmen über dem Bett in seinem Zimmer zum Wackeln brachte. »Fast zweimal
pro Sekunde«, überlegte er, »nicht schlecht.«
    Anerkennend zog er eine Augenbraue in die Höhe, dann konzentrierte
er sich wieder auf seine Arbeit.
    Trotz seiner jahrzehntelangen Erfahrung und der ausgeprägten
Routine interessierte es ihn jedes Mal aufs Neue, zu erfahren, welche Art von
Aufgabe man ihm anvertrauen wollte.
    Unmittelbar nachdem die Startseite der BodenGrund verschwunden
war, erschien auf dem Bildschirm das runde Logo der Sektion¬4 , der
Bundesadler auf weißem Grund. Gromek gab das verlangte Passwort ein und klickte
mit dem Cursor insgesamt dreimal in verschiedene Bestätigungsfelder. Einen
Augenblick später erhielt er den Hinweis, dass die folgenden Dateien nur für 60
Sekunden zur Verfügung stünden. Die digitale Uhr in der Befehlszeile begann
rückwärts zu zählen: 60, 59, 58 ...
    In zügiger Folge wurden die Portraits von drei Männern und einer
Frau gezeigt, darunter jeweils eine Reihe persönlicher Daten. Einer der Männer
kam Gromek bekannt vor, obwohl ihm nicht sofort einfiel, wo er ihm schon
begegnet war. Mit professionellem Blick überflog er die Datei.
    Alexander Holtz, las er unter dessen Portrait, und ihm wurde klar,
warum er ihn im ersten Moment nicht wiedererkannt hatte: Der Holtz, den er
kannte, war Bartträger. Der Mann auf dem Portrait war glattrasiert.
    »Alexander Holtz!? Das muss zehn Jahre her sein. Alex, alter
Junge, wo bist du da nur hineingeraten?«
    Verwundert schüttelte Gromek den Kopf. Um ein Haar hätte er
vergessen, einen USB-Stick in den Laptop zu stecken, um die Informationen für
seinen weiteren Gebrauch abzuspeichern. Kaum war er damit fertig, verschwanden
die Daten vom Bildschirm, als hätte es sie nie gegeben. Sein Handy klingelte.
    »Gromek.«
    Am anderen Ende meldete sich dieselbe emotionslose Stimme wie
vorher.
    »Die Liquidation der Zielpersonen hat in der genannten Reihenfolge
und so bald wie möglich zu erfolgen! So bald wie möglich! Limit: zwei Wochen.«
    Die Leitung klickte. Gromek steckte das Telefon weg. »So bald wie
möglich!« murmelte er verärgert. »Gründliche Arbeit braucht nun mal ihre Zeit!
Das werden die wohl nie begreifen. Zwei Wochen für Vorbereitung und Ausführung
sind ein Witz.«
    Genervt klappte er den tragbaren Computer zusammen. Doch dann
besann er sich und stellte den Laptop wieder auf. Sorgfältig studierte er die
Daten jeder einzelnen der vier Personen.
    Wolfgang Bubeck, Klar-Name Ernst-August Seidemann, war der erste
auf der Liste. Er war 49 Jahre alt, Ingenieur für Maschinenbau und bis vor der
Wende Offizier im Rang eines Majors bei der Hauptabteilung I des früheren
Ministeriums für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik
gewesen. Seit 1982 hatte Bubeck in der Unterabteilung XXIII gearbeitet, deren
über 1.000 Angehörige ausschließlich für Spezialaufgaben zuständig waren. Ihre
vordringlichsten Missionen: Sabotage, Geiselnahme, Entführung und Mord. Ihr
Haupteinsatzgebiet: Westdeutschland. Bubeck hatte also schon vor seinem
offiziellen Übertritt zur Sektion-4 , der Ende 1989, Anfang 1990
stattgefunden hatte, professionell Menschen getötet. Und er war Doppelagent
gewesen. Einer der wenigen, die die westdeutschen Nachrichtendienste in den
Jahren des Kalten Krieges gewinnen konnten. Dass Wolfgang Bubeck dieses Doppelspiel
überlebt hatte, sprach für ihn und seine Fähigkeiten. Gromek würde auf einen
echten Profi treffen.
    Bedri Rugova, der zweite im Bunde, war Albaner. Sein Klar-Name
lautete Ismail Bey. Gromek nahm an, dass er wie Bubeck Doppelagent war. Außer
einer Adresse im Stadtteil Potsdam-Babelsberg, die ihm gänzlich unbekannt war,
gab es keine nennenswerten Informationen über ihn. Das bedeutete in aller Regel
einen unkomplizierten Auftrag, der in kürzester Zeit, mit geringem Risiko und
ohne Aufsehen erledigt werden konnte. Mit einem Tastendruck, als ob er eine
lästige Fliege verscheuchen wollte, ließ er Rugova vom Bildschirm verschwinden.
    Als drittes rief Gromek die Daten der einzigen Frau auf -
Lisa-Marie Delius. Trotz des offensichtlich nicht mehr aktuellen Fotos fiel ihm
ihre attraktive Erscheinung sofort ins Auge. Bei
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