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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens
Autoren: Michael Lutz
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schließlich den Zündschlüssel drehte und den
Wagen anrollen ließ, erklang aus dem Radio die Stimme eines
Nachrichtensprechers:
    »... Über weitere Meldungen aus Brüssel und den Fortgang der
Ermittlungen der Polizeibehörden und der belgischen Staatsanwaltschaft halten
wir Sie auf dem Laufenden. Komoren: Die letzten versprengten Angehörigen des im
vergangenen Monat auf noch ungeklärte Weise ums Leben gekommenen
Rebellenführers Maurice-Eric LaSalle ...«
     
    Zur gleichen Zeit lief auf dem Fernsehmonitor in einem Konferenzraum
im fünften Untergeschoß der BodenGrund eine Video-Aufzeichnung vom Tatort des
Mordes an Stephan Freiherr von Hohenfels-Selm in Brüssel. Belgische Beamte von
der Spurensicherung und weitere Ermittler waren bei der Arbeit zu sehen. Zwei
Angehörige eines Bestattungsunternehmens liefen mit einem grauen Transportsarg
durchs Bild und stellten ihn neben der Leiche ab. Als die beiden Männer den
Sarg öffnen wollten, klemmte der Deckel.
    An einem ovalen Glastisch in dem Konferenzraum saßen sieben Männer
und Frauen, die sich das Videoband beunruhigt ansahen. Sie ahnten, dass das
Gezeigte von Bedeutung sein musste. Viktor Kilar, ein alerter Enddreißiger mit
einem dünnen, rötlichblonden Oberlippenbart, dessen linkes Augenlid zu nervösem
Blinzeln neigte, erhob seine Stimme:
    »Was Sie hier sehen, hat sich heute am späten Vormittag ereignet.
Bei dem Opfer handelt es sich um den 34-jährigen Stephan Freiherr von
Hohenfels-Selm - einen Kollegen.«
    Seine Zuhörer quittierten diese Nachricht mit einem unruhigen
Gemurmel, das er jedoch ignorierte.
    »Freiherr von Hohenfels-Selm war vor einigen Jahren auf unser
Betreiben hin vom Bundeskriminalamt zu uns versetzt worden.«
    »Was war seine derzeitige Mission?«
    Kilar überging die Zwischenfrage: »Vor rund zwei Jahren konnten
wir Freiherr von Hohenfels-Selm in der Nähe des Innenministers platzieren.
Zunächst war er erster Assistent des Büroleiters von Minister Dr. Steinhammer.
Dank seiner Begabung wurde er bald dessen zweiter Referent. Ich muss Ihnen wohl
nicht sagen, was für eine Quelle wir heute verloren haben. Aber das ist noch
nicht alles!«
    Kilar legte ein anderes Videoband ein. Jetzt zeigte der Monitor in
verschwommenen Bildern die Ermordung Freiherr von Hohenfels-Selms aus der
Perspektive einer automatischen Überwachungskamera.
    »Bestehen erste Verdachtsmomente«, fragte eine Frau aus der Gruppe
sachlich, während Stephan Freiherr von Hohenfels-Selm auf dem Monitor tödlich getroffen
zusammenbrach, »oder bewegen wir uns, was die Identität des Attentäters angeht,
noch im Dunkeln?«
    Kilar zögerte. Eine Antwort auf diese Frage schien ihm unangenehm
zu sein. Nervös blinzelte sein linkes Augenlid, und er sah verstohlen zum
Kopfende des Tisches.
    Dort saß Direktor Herrmann von Eckersdorff und nahm Viktor Kilar
mit sonorer Stimme und der natürlichen Autorität seines Amtes die Bürde des
Überbringens der schlechten Nachricht ab:
    »Was diesen bedauerlichen Mord angeht, meine Damen und Herren,
tappen wir bislang völlig im Dunkeln. Und nicht nur das. Es handelt sich
bereits um den fünften Vorfall dieser Art in unserer Behörde.«
    Herrmann von Eckersdorff machte eine Pause. Abgesehen von Viktor
Kilar reagierten die übrigen Anwesenden auf diese Worte mit sichtlicher
Bestürzung. Einer von ihnen fragte mit belegter Stimme:
    »Das bedeutet also, dass auch wir ...?«
    »Ja, das bedeutet es«, von Eckersdorff nickte langsam. Alle Blicke
waren auf seine Lippen gerichtet. Als er diese zum Weitersprechen öffnete, war
die Spannung im Raum beinahe körperlich spürbar. Hätte sie sich plötzlich in
einem bizarr gezackten Lichtbogen zwischen den beiden metallenen Lampenschirmen
über dem Konferenztisch entladen - niemand wäre überrascht gewesen.
    »Entsprechende Gegenmaßnahmen sind bereits eingeleitet worden«,
fuhr von Eckersdorff fort. »Aber bevor die Angelegenheit bereinigt ist ...
seien Sie vorsichtig und schließen Sie Fenster und Türen, wenn Sie heute Abend
nach Hause kommen! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit«, beendete er die
Sitzung mit einem sarkastischen Unterton.
    Die Gruppe erhob sich. Sessel rollten geräuschlos zurück. Die
innerhalb weniger Minuten erzeugte Stimmung hätte auf eine Beerdigung gepasst.
Schweigend gab von Eckersdorff Kilar ein Zeichen, dass er sitzenbleiben sollte.
    Als die Referatsleiter den Raum verlassen und zwei Wachposten die
Tür hinter ihnen zugezogen hatten, ergriff Kilar nervös das
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