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Grafeneck

Titel: Grafeneck
Autoren: Rainer Gross
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Und weil er lebt, reicht unser Leben jetzt in die Ewigkeit hinaus. Wir können nicht mehr in die Irre gehen. Wir verfehlen das Ziel nicht mehr.«
    »Sie sind ja ein richtig Frommer«, staunt Mauser. »Das hätt ich nicht gedacht.«
    »Und Sie? Glauben Sie an Gerechtigkeit?«
    »Nur an eine, an die wir alle nicht heranreichen. Kein einziger. Das glaub ich. Sonst bräuchten wir ja kein Erbarmen, oder nicht?«
    Greving lächelt. »Haben Sie denn Erbarmen?« fragt er Mauser.
    »Mit mir selber, da müßte ich Erbarmen haben. Mit meinem Vater. Vielleicht sogar mit dem Schumacher, ich weiß nicht. Eins ist wichtig: daß jemand mit einem Erbarmen hat, oder nicht?«
    »Und? Hat es jemand mit Ihnen?«
    Mauser zuckt die Schultern, nimmt einen Zug von der Zigarre. »Vielleicht schon. Hab das bloß nie verstanden, was die Pfarrer meinen. Wissen Sie, manchmal denk ich, bloß daß es mich gibt, daß ich lebe und so mit Ihnen ein Zigärrchen schmauchen kann – das ist schon Evangelium genug.«
    Greving legt Mauser die Hand auf die Schulter. Wieder diese einsame, klägliche Geste. Er sagt nichts. Es gäbe viel zu sagen, diesem Menschen, der durch das ganze Krumme und Verworrene dieser Geschichte hindurchgegangen ist, der sich Gedanken gemacht hat und allein gewesen ist mit einer Schuld, die da plötzlich in sein Leben trat, die nicht seine war und die er zu seiner machte.
    Er soll ruhig wissen, was er weiß. Das ist nicht mehr meine Aufgabe, denkt Greving.
    Eine Zeit lang sitzen sie so nebeneinander, beide rauchend, schauen den Vögeln in den Alleebäumen zu, lassen sich treiben in dem Frühlingslicht auf Orte zu, die schon lange verloren schienen und nach denen sie sich immer gesehnt haben.
    »Irgendwann müssen Sie mir mal die ganze Geschichte erzählen«, sagt Greving.
    »Weiß selber bloß ein Stück davon«, sagt Mauser.
    »Dann eben das. Versprechen Sie es mir?«
    »Also gut.«
    Sie sitzen und rauchen zu Ende.
    Dann stehen sie auf und gehen gemeinsam die Allee entlang auf das Schloß zu.
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