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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Autoren: Aufbau
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dem Stamme der Verwegnen,
    Sind sie.
    Fort schiebt sie die Mappe.
    Schaut sich in dem Spiegel. Sie ist
    Noch nicht alt, nein, nein! in keiner
    Weise gleicht sie der Uralten
    Goyas! Sie ist glücklich! Alles,
    Was ein Mensch erreichen kann, sie
    Hat’s erreicht!
    Und plötzlich fängt sie
    An zu weinen, bittre, hilflos
    Zorn’ge Tränen, immer wildre,
    Bis das Weinen krampfhaft ihr den
    Körper stößt.
    Mit einem Rucke
    Reißt sie sich zusammen, schneuzt sich,
    Wischt die Augen, pudert sich die
    Rotgeweinte Nase. Aufrecht
    Sitzt sie. Läutet. Und den Damen
    Des Gefolges, da sie nun ein-
    Treten, ist die Königin die
    Königin.

36
    Als Goya aus Barcelona zurückkam, müde und mit neuen Ehren beladen, fand er seine Geschäfte auch in Madrid wohlgediehen. Die Kunstdruckerei des Königs hatte unter Anleitung Agustíns die Caprichos in einer hohen Auflage erscheinen lassen, schon war eine zweite in Vorbereitung. In allen größeren Städten des Reiches konnte man die Mappe kaufen. In der Hauptstadt lag sie jetzt in sieben Buch- und Kunsthandlungen aus.
    Manchmal ging Francisco in die Buchhandlung Durán, um sich zu erkundigen, was die Leute zu den Caprichos sagten. Die schöne Besitzerin, Señora Felipa Durán, freute sich bei seinem Anblick und erzählte ihm eifrig und vergnügt. Es kamen eine Menge Leute, vor allem auch Fremde, Ausländer, um die Caprichos zu sehen, und die Mappe, trotz des hohen Preises, verkaufte sich leicht. Goya merkte, daß sich Doña Felipa im stillen darüber wunderte; denn sie hatte nicht viel Verständnis für die Caprichos. »Was Sie für wüste Träume haben, Don Francisco!« sagte sie wohl, kopfschüttelnd, kokett. Er lächelte gutmütig und gab ihr ihren Blick zurück; sie gefiel ihm.
    Befremdet von den Caprichos waren wohl die meisten. Der Geschmack, fand Goya, war verdorben durch den Klassizismus des Kollegen David. Wenn gleichwohl viele kamen und ihre 288 Realen für seine Caprichos hinlegten, dann taten sie es, weil um ihn und um sein Werk Klatsch und Sensation war. Man suchte hinter jeder Gestalt der Caprichos ein bestimmtes Modell, und man hatte wohl auch gehört von seinem unterirdischen Kampf mit der Inquisition.
    Manche freilich, vor allem unter den Jüngeren, sahen in den Caprichos mehr als eine Sammlung pikanter und sensationeller Karikaturen, sie begriffen und bewunderten ihre neue, kühne und eigenwillige Kunst. Auch aus Frankreich und Italien kamen Briefe des Verständnisses und der Verehrung. Triumphierend erklärte Quintana, schon seien seine Verse Wahrheit geworden, schon sei Europa voll von Goyas Ruhm.
    Viele Besucher kamen in die Quinta, Bewunderer und Neugierige. Goya ließ nur wenige vor.
    Eines Tages kam, überraschend, Doktor Joaquín Peral.
    Ja, man hatte ihn freigelassen. Aber man hatte ihm bedeutet, sich binnen zwei Wochen fortzumachen und sich in Zukunft in den Ländern Seiner Katholischen Majestät nicht mehr sehen zu lassen. Er kam zu Goya, um Abschied zu nehmen und um ihm Dank zu sagen; denn sicherlich habe, meinte er, Don Francisco das Seine dazu beigetragen, ihm die Freiheit zu erwirken.
    Es freute Goya, daß Pepa »ihm den Gefallen getan« hatte. »Es war nicht schwer«, sagte er, »etwas für Sie zu erreichen. Da die Beute verteilt war, bestand kein Interesse mehr, Sie festzuhalten.«
    Peral sagte: »Ich hätte Ihnen gerne zum Andenken das eine oder andere Bild aus meiner Sammlung zurückgelassen. Aber leider ist mein gesamter Besitz konfisziert.« Dann, zum Erstaunen Goyas, zählte er 288 Realen auf den Tisch. »Ich habe eine Bitte an Sie, Don Francisco«, erläuterte er. »Die Drucke der Caprichos, die man in den Läden bekommt, sind blaß. Sie würden mich verpflichten, wenn Sie mir einen der frühen, frischen Abzüge überlassen könnten.« Goya, mit einem ganz kleinen Schmunzeln, antwortete: »Mein Agustín Esteve wird Ihnen den besten Druck geben, den wir besitzen.«
    Auch Peral lächelte, und plötzlich sah sein Gesicht viel jünger aus. »Vielleicht«, meinte er, »kann ich Ihnen von jenseits der Grenze ein Zeichen meiner Dankbarkeit schicken. Da ich, schon vor dieser letzten, manche üble Erfahrung hatte machen müssen, hatte ich mich auf Umschwünge vorbereitet. Ich fahre jetzt nach Sankt Petersburg, und wenn nicht alles schiefgegangen ist, werde ich dort einige Lieblingsstücke aus meiner Sammlung wiederfinden. Alle meine Goyas, Don Francisco, darunter ein Blatt aus den Caprichos, das in die endgültige Ausgabe nicht aufgenommen ist.« Er
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