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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Autoren: Aufbau
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gottlosen Franzosen und ließ sich totschlagen für den König, seine Granden und seine Priester.
    Spanier gab es freilich, welche
    Diesen Widerspruch verspürten
    In sich selber, und sie kämpften
    In der eignen Brust den Streit aus
    Zwischen altem Brauch und neuem,
    Zwischen Fühlen und Verstehen,
    Schmerzhaft oft und leidenschaftlich,
    Siegreich manchmal, doch nicht immer.
2
    Doña Cayetana, Dreizehnte Herzogin von Alba, gab einen Theaterabend für ihre Freunde in ihrem Madrider Palais. Eine Truppe royalistischer Pariser Schauspieler, die vor dem Terror der Republik über die Pyrenäen hatte fliehen müssen, führte ein Stück des Schriftstellers Berthelin auf, »Das Martyrium derMarie-Antoinette«, ein Drama, das trotz seines zeitgenössischen Inhalts im klassischen Stil gehalten war.
    Die Zuhörer – es waren ihrer nicht viele, zumeist Herren und Damen des Hochadels – verloren sich in dem weiten Saal, der nur mäßig erhellt war, auf daß die Vorgänge auf der Bühne besser beleuchtet seien. Edel und eintönig klangen von der Szene herab die sechsfüßigen Jamben, ihr erhabenes Französisch war spanischen Ohren nicht immer ganz verständlich, der Saal war warm, es überkam die Zuhörer in ihren bequemen Sesseln allmählich eine melancholische, behagliche Schläfrigkeit.
    Die königliche Dulderin auf der Bühne gab jetzt ihren Kindern, der vierzehnjährigen Madame Royale und dem neunjährigen König Louis dem Siebzehnten, noble Lehren. Dann wandte sie sich an ihre Schwägerin, die Prinzessin Elisabeth, und gelobte, sie werde, was immer über sie kommen möge, mit einer Fassung tragen, die ihres gemordeten Gemahls, des Sechzehnten Louis, würdig sei.
    Die Herzogin von Alba selber hatte sich noch nicht gezeigt. Wohl aber saß in der ersten Reihe ihr Mann, der Marqués de Villabranca, der, gemäß dem Gebrauch, zu seinen vielen anderen Titeln auch den ihren angenommen hatte. Der stille, elegante Herr, eher schmächtig, doch vollen Gesichtes, schaute aus schönen, dunklen Augen nachdenklich auf die hagere Schauspielerin, die da oben sentimentale, pathetische Verse deklamierte, vorgebend, sie sei die tote Marie-Antoinette. Der Herzog von Alba war empfindlich vor Kunstleistungen nicht allerhöchsten Ranges und war von vornherein skeptisch gewesen. Aber seine liebe Herzogin hatte erklärt, infolge der Trauer, welche der Hof anläßlich des schauerlichen Ablebens der Königin Marie-Antoinette angeordnet hatte, sei das Leben in Madrid tödlich langweilig geworden, und irgend etwas müsse sie unternehmen. Eine solche Aufführung wie die des »Martyriums« bringe Leben ins Haus und beweise Teilnahme an der Trauer über den Untergang der Könige von Frankreich. Der Herzog konnte es verstehen, daß seine Frau,die um ihrer Capricen willen an allen Höfen Europas berühmt war, sich in der weiten Einsamkeit ihres Madrider Palais langweilte, er hatte ohne weiteres zugestimmt und ließ nun diese Vorstellung über sich ergehen, geduldig und skeptisch.
    Seine Mutter, die Witwe des Zehnten Marqués de Villabranca, saß neben ihm, lässig und zuhörend. Die Habsburgerin auf der Bühne, wie war sie laut und tränenselig! Nein, so war Marie-Antoinette nicht gewesen, die Marquesa de Villabranca hatte sie gesehen und gesprochen seinerzeit, in Versailles. Sie war eine charmante Dame gewesen, Marie-Antoinette von Habsburg und Bourbon, heiter und liebenswert, ein wenig zu auffällig vielleicht und zu laut. Aber schließlich war sie eben nur eine Habsburgerin und hatte nichts von dem unaufdringlichen Adel einer Villabranca. Das Verhältnis Marie-Antoinettes zu ihrem schweigsamen, unaufdringlichen Louis, hatte es nicht Ähnlichkeit gehabt mit dem Verhältnis Cayetana de Albas zu ihrem Don José? Verstohlen schaute sie auf ihren Sohn, er war ihr Lieblingssohn mit seiner Zartheit und Schwäche, und was sie sah und lebte, bezog sie auf ihn. Er liebte seine Frau, und das verstand ein jeder, der sie einmal gesehen hatte; aber es war keine Frage, er stand in ihrem Schatten, der Welt war er der Mann der Herzogin von Alba. Ach, nur wenige kannten ihren Sohn José. Sie sahen und rühmten seine stille Vornehmheit. Allein um seine innere Musikalität, um das wunderbar ausgeglichene Schwingen seines Wesens wußten wenige, auch seine Frau wußte zu wenig darum.
    Oben auf der Bühne war jetzt der Präsident des Revolutionstribunals, ein brutaler Mann, um der Königin das Urteil zu verkünden. Zunächst hielt er ihr noch einmal alle ihre Schandtaten vor,
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