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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Autoren: Aufbau
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es nicht schlecht. Die Majestäten zeigten ihm bei jeder Gelegenheit, wie sehr sie ihn schätzten, so tat Don Manuel, der Herzog von Alcudia, der Favorit der Königin, und alles, was in Madrid Namen und Geld hatte, drängte sich, von ihm porträtiert zu werden. »Komm bald, Martín meines Herzens«, hatte er seinen Brief geschlossen, »und schau Dir an, wie zufrieden lebt Dein wohlbestellter ewiger Freund, Dein kleiner Francho, Francisco de Goya y Lucientes, Mitglied der Akademie und Maler des Hofes.« Oben und unten aber hatte er den Brief mit einem Kreuz versehen, auf daß sein Glück daure, und in einer Nachschrift hatte er den Freund aufgefordert, der Jungfrau del Pilar zwei vielpfündige Kerzen zu stiften, daß sie ihm sein Glück erhalte.
    Aber Kreuze und Kerzen halfen nicht, und was vor zweiTagen wahr gewesen, war es heute nicht mehr. Die Frau auf der Estrade hatte alles umgeworfen. Es war Seligkeit gewesen, die großen, metallischen Augen aus dem launischen, hochmütigen Gesicht auf sich zu spüren; neues Leben hatte ihn überschwemmt. Aber er wußte: was gut ist, will bezahlt sein, so besser es ist, so höher. Er wußte, er werde um die Frau kämpfen und leiden müssen, denn man war umgeben von bösen Geistern, immerfort, und wenn man nicht achtgab und sich seinem Gewünsche und Geträume ohne Vorsicht überließ, dann fielen die Ungeheuer einen an.
    Er hatte schlecht gesehen. Er hatte eine launische Puppe aus der Frau gemacht. Das war sie, unter anderm; aber das andere, das dahinter, hatte er nicht gesehen. Dabei war er damals schon kein schlechter Maler gewesen, ein besserer jedenfalls als alle andern, auch als die beiden, die ihm bei Hofe voranstanden, Bayeu und Maella. Die mochten mehr gelernt haben bei ihrem Mengs und in ihrem Winckelmann, aber er hatte das bessere Aug und zu Lehrern den Velázquez und die Natur. Und trotzdem war er ein Stümper gewesen. Er hatte nur das Klare der Menschen gesehen, das Deutliche, aber das Vielerlei, das Verworrene, das in jedem Menschen ist, das Gefährliche, das hatte er nicht gesehen. In Wahrheit zu malen angefangen hatte er erst in den letzten Jahren, eigentlich erst seit wenigen Monaten, seit seiner Krankheit. Älter als vierzig hatte er werden müssen, ehe er auch nur zu begreifen begann, was Malen heißt. Aber nun hatte er’s begriffen, nun arbeitete er, jeden Tag viele Stunden. Und da mußte ihm diese Frau dazwischenkommen. Sie war eine großartige Frau, und es wird ein großartiges Erlebnis sein, und sie wird ihm viel zu schaffen machen, und sie wird ihm die Zeit und den Geist für die Arbeit wegstehlen, und er verwünschte sich und sie und das Schicksal, weil er sie so hoch wird bezahlen müssen.
    Ein kleines Klingeln kam durch den Schnee, und dann sah er, wie sich ein Priester und ein Chorknabe mit dem Allerheiligsten durch das Wetter arbeiteten, offenbar auf dem Wege zu einem Sterbenden. Leise fluchend zog er sein Taschentuchheraus, breitete es in den Matsch und kniete nieder, wie es der Brauch, die Inquisition und sein Herz verlangten.
    Es war ein schlechtes Vorzeichen, daß er der Monstranz auf dem Weg zu einem Sterbenden begegnete. Es wird nicht gut ausgehen mit der Frau. Lieber einem neunjährigen Stier in einer Sackgasse in den Weg laufen, murrte er in seinem Innern, als einer Frau, wenn dein Herz geil ist. Er war aus dem Volk, und sein Inneres war voll von den alten Sprüchen des Volkes.
    Er schnaufte unwillig durch die Nase, während er sich durch das Wetter weiterarbeitete, die Hausmauern entlang; denn die Mitte der Straße war knöchelhoher Matsch. Nichts als Ärger hatte man. Unvermittelt dachte er an Monsieur de Havré, den französischen Gesandten. Er hatte sein Porträt gemalt, und der Franzose hatte nicht bezahlt. Nachdem er die Rechnung ein drittes Mal geschickt, hatte man ihm überdies bei Hofe bedeutet, man sähe es nicht gern, wenn der französische Herr weiter behelligt werde. Francisco hatte Aufträge, so viele er wollte, doch wenn es galt, Zahlung zu erhalten, gab es oft Schwierigkeiten. Dabei mehrten sich die Ausgaben. Der Wagen und die Pferde waren kostspielig, die Bedienten waren unverschämt und verlangten immer mehr, auch stahlen sie, aber man konnte nichts machen, ein Hofmaler konnte sich nicht lumpen lassen. Wenn sein seliger Vater wüßte, daß er, der kleine Francho, in zwei Tagen ausgibt, was die ganze Familie Goya in Fuendetodos in einem Jahr verbraucht hat, in seinem Grabe drehte er sich um. Aber war es nicht herrlich, daß
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