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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Autoren: Aufbau
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Die Marquesa war mit ihren Fünfundfünfzig noch immer schön, es war um sie der Hauch eines noch nicht lange vergangenen reichen Lebens. Goya sah das vielwissende, freundlich resignierte Gesicht, er sah das einfache, kostbare, dunkle Kleid, den zarten, weißen Schal, aus dem eine Rose hervorkam. Sie war genau das, was er sich in den Träumen seiner Jugend unter einer großen Dame vorgestellt hatte. Er freute sich darauf, sie zu malen.
    Der Mayordomo bat die Gesellschaft in den großen Empfangssaal, wo die Herzogin sie erwarte. Goya begleitete die Marquesa. Langsam gingen sie durch die Gemäldegalerie, welche den Theatersaal mit dem Empfangsraum verband. Da hingen ausgewählte Bilder der alten spanischen, flämischen, italienischen Meister, es war schwer, nicht stehenzubleiben vor diesem Bilde, vor jenem; so eindringlich von den Wänden in dem flackerigen Lichte der Kerzen strahlte das alte Leben.
    »Ich kann mir nicht helfen«, sagte die Marquesa zu Goya, »aber ich liebe meinen Raphael. Von allem, was hier hängt, ist mir ›Die Heilige Familie‹ das liebste.« Goya, entgegen dem allgemeinen Urteil, war kein Anhänger des Raphael, er schickte sich an, etwas freundlich Unverbindliches zu erwidern.
    Da aber waren sie an der Wendung der Galerie angelangt, und durch die Flügeltür des großen Empfangssaals sahen sie Cayetana de Alba. Sie saß, nach alter Sitte, auf einer niedrigen, mit Teppichen belegten Estrade, die durch ein kleines Gitter mit weiter Öffnung vom übrigen Saal geschieden war, und sie trug nicht wie die übrigen Damen ein modernes Kleid, sondern ein spanisches von altem Zuschnitt. Die Marquesa lächelte. So war Doña Cayetana: sie nahm von Frankreich, was von Frankreich Gutes kam, aber sie wollte nicht verleugnen, daß sie Spanierin war. Es war ihr Abend, die Einladungen waren in ihrem, nicht in ihrem und in ihres Gatten Namen ergangen, niemand durfte es ihr verdenken, wenn sieauf den ersten, französischen Teil des Abends einen zweiten, spanischen setzte. Aber sich im eigenen Haus inmitten einer Abendgesellschaft in spanischer Tracht zu zeigen, fast wie eine Maja, ein solcher Effekt war ein bißchen sehr laut. »Sie hat immer neue Einfälle, unsere Doña Cayetana«, sagte die Marquesa zu dem Maler. »Elle est chatoyante«, fuhr sie fort, französisch.
    Goya antwortete nicht. Töricht, wortlos stand er unter der Tür und starrte auf die Alba. Über dem silbergrauen Kleid trug sie schwarze Spitzen; bräunlichweiß leuchtete die warme Blässe des ungeschminkten ovalen Gesichtes, krauses, schwarzes Haar, gekrönt von einem hohen Kamme, umrahmte es üppig; winzig, zierlich, in ihren spitzen Schuhen, schauten die Füße aus dem weitfallenden Rock. Ein lächerlich kleiner, weißer, wolliger Hund saß auf ihrem Schoß, sie streichelte ihn mit der linken, behandschuhten Hand. Die Rechte aber, nackt, schmal, fleischig, kindlich, lag halb auf der Lehne des Sessels, und lässig, mit spitzen, leicht gespreizten Fingern, hielt sie den Fächer, beinahe geschlossen, nach unten.
    Die Marquesa, da Goya noch immer schwieg, glaubte, er habe ihr Französisch nicht verstanden, und übersetzte: »Sie schillert wie eine Katze.« Don Francisco indes starrte weiter. Er hatte die Herzogin oft getroffen, er hatte ein Porträt von ihr gemalt, unbeteiligt, es war auch nichts Rechtes geworden, er hatte spielerisch das Gesicht der großen Dame, von der Madrid so viel und so gerne sprach, in den galanten, unverbindlichen Entwürfen verwandt, die er für die Gobelins der königlichen Schlösser anfertigte. Nun aber erkannte er sie nicht, er hatte sie niemals gesehen, und war das die Alba?
    Die Knie zitterten ihm. Jedes Haar von ihr, jede Pore ihrer Haut, die starken, hohen Augenbrauen, die unter den schwarzen Spitzen halbentblößten Brüste erregten ihm eine Leidenschaft ohne Maß.
    Die Worte der Marquesa klangen in ihm nach, ohne daß er ihren Sinn recht erfaßt hatte; mechanisch antwortete er: »Ja,sie ist erfrischend unabhängig, Doña Cayetana, überaus spanisch.« Er stand noch immer unter der Tür, die Augen auf der Frau. Nun aber hob sie den Kopf in seiner Richtung. Sah sie ihn? Schaute sie blicklos über ihn weg? Sie sprach weiter, streichelte weiter mit der Linken den kleinen Hund. Die Rechte indes hob jetzt den Fächer, entfaltete ihn ganz, so daß das Bild des Fächers sichtbar wurde – ein Sänger, der zu einem Balkon hinaufsang –, schloß ihn wieder und entfaltete ihn von neuem.
    Freudiger Schreck lähmte Francisco
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