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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Autoren: Aufbau
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Spanien«, sagte sie, ohne Pathos, nicht ohne Würde, »ist ein altes Land, aber trotz gewisser Nachbarn noch sehr lebendig. Es kann einige Wahrheiten vertragen, besonders wenn sie mit Kunst und mit Würze vorgebracht sind. Immerhin sollten Sie vielleicht in Zukunft vorsichtig sein, Don Francisco. Nicht immer regiert die Vernunft, und ein Tag könnte kommen, Señor, wo Sie abhängig sind von Narren.«
    Sie wies mit dem Finger, der den Ring Cayetanas trug, auf die Caprichos, besitzergreifend. »Wir nehmen Ihr Geschenk an, Don Francisco«, sagte sie. »Wir werden Sorge tragen, daß Ihre Zeichnungen weit verbreitet werden, innerhalb Unserer Reiche und außerhalb.«
    Don Carlos seinesteils stieg vom Thron herunter, klopfteFrancisco mächtig den Rücken und sagte zu dem Tauben, sehr laut und wie zu einem Kinde: »Ausgezeichnet, Ihre Karikaturen. Wir haben Uns amüsiert. Muchas gracias.«
    María Luisa aber fuhr fort: »Wir haben Uns übrigens entschlossen, Ihrem Sohn auf drei Jahre ein Stipendium anzuweisen für eine ausgedehnte Studienreise. Ich wollte Ihnen das selber mitteilen. Ist er hübsch, Ihr junger Sohn, Goya, oder sieht er Ihnen ähnlich? Schicken Sie ihn mir doch, bevor er ins Ausland geht. Und machen Sie Ihre Sache gut in Barcelona. Wir freuen Uns auf diese großen, festlichen Tage Unserer Kinder und Unseres Reiches.«
    Die Majestäten zogen sich zurück. Goya, Manuel und Pepa waren voll Freude, daß alles nach Wunsch abgelaufen war. Doch war ihnen, als hätten nicht sie ihren Spaß mit der Königin gehabt, sondern diese mit ihnen.
    María Luisa begab sich in ihr Toilettenzimmer; die Mappe mit den Caprichos ließ sie sich nachtragen. Man machte sich daran, die Königin umzukleiden. Doch kaum hatte man ihr das Gala-Kleid ausgezogen, so gab sie Weisung, man solle sie allein lassen.
    Ihr Toilettentisch stammte aus dem Nachlaß Marie-Antoinettes, er war kunstvoll, kostbar, geschmäcklerisch. Viele erlesene Sachen und Sächelchen standen darauf, Dosen und Kästchen, Töpfe und Flaschen, Kämme, Pomaden, Puder und Schminken jeder Art, Franchipana-Parfum, Sans-Pareille, Sultana-, Ambra- und Rosengeist, auch andere seltene Wasser, destilliert von Ärzten und Künstlern der Kosmetik. Mit ungeduldiger Hand schob Doña María Luisa den ganzen Kram zurück und nahm sich die Caprichos vor.
    Da lagen die scharfen, frechen, umstürzlerischen Zeichnungen inmitten des lockeren, preziösen Plunders auf dem kostbaren Tisch der auf dem Schafott gerichteten Marie-Antoinette. Und nun machte sich Doña María Luisa daran, die Blätter in Ruhe zu beschauen, allein.
    Natürlich hatte ihr dieser Francisco die Mappe nicht überreicht, um sie zu kränken, sondern um sich vor dem Großinquisitorzu retten. Da hatte ihr der Reynoso zu einem guten Geschäft verholfen. Die Caprichos waren arrogant und amüsant, sie kitzelten einen, viele werden die Mappe kaufen. Eine runde Million, hatte Manuel ihr auseinandergesetzt, konnte man herausholen. Es war diesem Maler eine gerechte Strafe, daß sie, María Luisa, die Million erntete, nicht er.
    Sie schaute auf das letzte Blatt, auf die in Panik fliehenden gespenstischen Mönche und Granden. »Ya es hora – Schon schlägt die Stunde« stand darunter. Plötzlich, heiß, ging ihr die ganze freche, meuterische Meinung des Blattes auf. »Ya es hora«: glaubte er’s wirklich? Da täuschte er sich, der Bursche von unten, der Herr Erste Maler. Die Stunde schlug noch nicht. Sie wird auch so bald nicht schlagen. Und sie, María Luisa, dachte gar nicht daran, sich davonzumachen. Bis zum Tode nicht.
    Da war sie wieder bei dem Blatte »Hasta la muerte«. Es ist ein gemeines, niederträchtiges Blatt. Und was für ein banaler Spaß das ist, was für ein millionenmal dagewesener, sich lustig zu machen über eine alternde Kokette. So billig sollte es ein Maler von Rang nicht geben.
    Das Blatt mag billig sein in der Idee: gut bleibt es. Wie diese Alte vor dem Spiegel sitzt, gierig, das ist nicht moralisierend, es ist auch kein wohlfeiler Spaß, es ist die ruhige, traurige, nackte, kahle Wahrheit.
    Einer, der so tiefen Blickes
    Sieht, der ist gefährlich. Aber
    Sie hat keine Angst vor ihm. Die
    Hunde bellen, doch die Kara-
    Wane zieht des Weges. Froh fast
    Ist María Luisa, daß der
    Maler in der Welt ist. Denn sie
    Kann sich’s leisten, daß in ihre
    Tiefen einer Einblick tut. Auch
    Sie kennt die Dämonen. Sie und
    Er gehörn zusammen. Sie, der
    Maler und die Königin, sind
    Spießgesellen; gleichen Stammes,
    Aus
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