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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Autoren: Aufbau
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ein. Ein großer Staatsmann machte ein Pasquill am besten dadurch unschädlich, daß er es selber verbreitete. Hatte nicht der General Bonaparte ein Schmähplakat niedriger hängen lassen? Oder war es der Preußenkönig Friedrich gewesen? Wer immer, Don Manuel und Doña María Luisa konnten es mit ihm aufnehmen. Die Idee, die Caprichos von der Kunstdruckerei des Königs herausgeben zu lassen, gefiel ihm mehr und mehr. »Ich werde mit Doña María Luisa über Goyas Plan und Geschenk reden«, versprach er. »Ich danke Ihnen, Infant«, antwortete Don Miguel.
    Er berichtete Lucía vom Erfolg seiner Unterredung. Sie suchte Goya auf.
    Der war voll bittern Zornes, daß Miguel, nach so langer Abwesenheit, zum Escorial weitergefahren war, ohne ihn zu sehen. So waren seine Freunde, das Gesindel: nun er im Unglück war, stellten sie sich tot.
    Er hellte sich auf, als jetzt Lucía zu ihm kam.
    »Man sagt mir«, begann sie, »die Inquisition ist nicht sehr zufrieden mit den Caprichos. Haben Sie auch davon gehört?« Er kämpfte mit der Versuchung zu reden, seine ganze Verzweiflung aus der Brust zu lassen, aber er sagte nur trocken: »Ja.« – »Sie sind ein sonderbarer Mensch, Don Francisco«, sagte Lucía. »Warum haben Sie sich nicht an uns gewandt? Sie hatten doch Versprechungen.« – »Versprechungen!« sagte Goya und hob und senkte ausdrucksvoll die Schultern.
    Lucía sagte: »Man hat beschlossen, die Doppelhochzeit der Infanten in Barcelona zu feiern. Man wird Sie, Don Francisco, in den Escorial berufen, und Sie werden in feierlicher Audienz den Auftrag erhalten, das Arrangement der Festlichkeiten zu entwerfen und zu überwachen. Wie seinerzeit Velázquez.« Goya dachte nach. »Genügt das?« fragte er sachlich. »Übrigens arrangiere ich dergleichen Festlichkeiten so ungern, wie ich Heilige male.« Lucía sagte: »Es wird erwartet, daß Sie der Familie des Königs zu der Doppelhochzeit ein Geschenk überreichen. Ihre Freunde finden, die Platten der Caprichos wären dafür nicht ungeeignet.«
    Goya glaubte, er habe nicht recht verstanden. »Das müssen Sie mir aufschreiben, Doña Lucía«, sagte er. Sie tat es, und wie sie nun dasaß, die Zunge im Mundwinkel und eifrig schreibend, war sie plötzlich wieder die Mandelverkäuferin aus dem Prado. Goya las. »Wird man mich nicht«, fragte er, »die Treppen des Escorial hinunterwerfen? Sie sind sehr steil.« – »Ihre Freunde«, erwiderte Doña Lucía, »haben ausgerechnet, daß die Caprichos, wenn die Königliche Kunstdruckerei sie herausgibt, ein und eine halbe Million bringen können. Ihre Freunde bemühen sich, das dem Hofe klarzumachen.«
    Goya dachte nach und wurde immer vergnügter. »Stammt der Plan von Ihnen, Lucía?« fragte er. Sie antwortete nicht. Statt dessen sagte sie: » Ein Blatt würde ich an Ihrer Stelle fortlassen, wenn Sie den Majestäten die Caprichos präsentieren: das Blatt ›Hasta la muerte – Bis zum Tode‹.« – »Die sich schmückende Alte?« fragte Goya zurück. »Ja«, antwortete Lucía, »alternde Damen sind manchmal empfindlich.« Aber: »Nichts lasse ich fort«, erklärte laut und lustig Goya. »Die Alte bleibt in der Mappe. Bis zum Tode.« Und: »Dem Manne, dem’s an Mut gebricht, dem nützt auch Schrot und Pulver nicht«, zitierte er das alte Sprichwort. Lucía schien amüsiert. »Sie riskieren viel«, meinte sie. »Aber Sie müssen selber wissen, wieviel Ihnen der Spaß wert ist.«
    Goya, sie absichtlich mißverstehend, antwortete: »Sie haben recht. Ein so teures Geschenk darf ein einfacher Maler dem Katholischen König nicht machen.« Er dachte nach, leuchtete auf. »Sie sind doch so geschickt, Doña Lucía«, überlegte er laut, »und Don Miguel ist Diplomat. Ich beabsichtige seit langem, meinen Javier auf eine Studienreise zu schicken, nach Italien und nach Frankreich. Ließe es sich nicht drehen, daß der König wenigstens das zahlt?«
    Goya sah Lucía lachen;
    Das geschah nicht oft. »Ihr Vorschlag
    Ist nicht übel«, meinte sie. »Wenn
    Man bei Hofe zaudert, Ihre
    Gabe anzunehmen, weil sie
    Allzu kostbar ist, dann könnte
    Man dem König nahelegen,
    Ihrem sehr begabten Sohn ein
    Angemessenes Stipendium
    Für die Reise auszusetzen.
    Warum sollte nicht Don Carlos
    Seinen Kunstsinn wie am Vater
    So am Sohn betät’gen?« Und die
    Fruchtverkäuf’rin aus dem Prado
    Und der Bauernbursch aus Ara-
    Gón schauten einander an und
    Lachten.

35
    Don Carlos und Doña María Luisa saßen auf erhöhten, thronartigen Sesseln. Hinter ihnen
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