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Der Ring Der Jaegerin

Der Ring Der Jaegerin

Titel: Der Ring Der Jaegerin
Autoren: Andrea Schacht
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Kapitel 1
    Ich brütete über meinen Unterlagen – Bilanzanalyse. Ein trockenes Thema an einem kalten Novemberabend. Aber ich hatte mir nun mal vorgenommen, dieses Abendstudium durchzuhalten, und in einem halben Jahr würde ich es wohl geschafft haben.
    Ein Klopfen an der Fensterscheibe schreckte mich kurz auf. Irritiert sah ich hoch. Es klopfte noch einmal. Das konnte eigentlich nicht sein, wer sollte schon im zweiten Stock an die Fensterscheibe klopfen? Also ignorierte ich es. Wahrscheinlich waren es nur die Zweige des Kirschbaums vor dem Haus, die sich im Wind bewegten.
    »Zur Beurteilung der Liquidität werden die Deckungsgrade sowie Liquiditätsgrade …«
    Es klopfte schon wieder! Verärgert starrte ich in die spiegelnde Scheibe. Draußen war es jetzt, um halb neun, tiefe Nacht. Ich erkannte nur mein eigenes Gesicht im Glas, ein bisschen müde schon um die Augen, die sorgfältig aufgesteckten Haare ein wenig durcheinandergeraten, diese hässliche Nase dominierend über ungehalten zusammengekniffenen Lippen. Katharina, wie ich sie nur zu gut kannte!
    Ich wollte mich abwenden, als eben der Vollmond sein kaltes Licht durch die Wolkenfetzen warf. Er zeigte sein weißes Gesicht, und mir war es, als könnte ich eine kleine, helle Gestalt vor dem Fenster erkennen, die koboldartig auf und ab hüpfte. Aber ich hatte bereits seit meinem sechsten Lebensjahr aufgehört, an irgendwelche Geister zu glauben – nachdem ich nämlich entdeckt hatte, dass sich hinter der Maske des Nikolaus mein Onkel Hans-Peter versteckte. Darum ignorierte ich das seltsame Treiben und versuchte, mich wieder auf meine Kennzahlen zu konzentrieren.
    »Häufige Verwendung finden darüber hinaus die Kennzahlen Working Capital und die Effektivverschuldung …«
    Es wollte nicht so recht klappen heute Abend. Mein Kopf schmerzte schon seit dem frühen Nachmittag, und meine Konzentrationsfähigkeit ließ mehr und mehr zu wünschen übrig. Dumme weibliche Schwächen, sagte ich mir. Aber immer bei Vollmond fühlte ich mich irgendwie angeschlagen.
    Diesmal klopfte es an der Balkontür, und ein seltsames Geräusch – fast ein Schrei – begleitete es. Mit einem bösen Wort auf den Lippen knallte ich das Lehrbuch zu und stand auf, um dem Treiben ein Ende zu machen. Wenn die Rollläden unten waren, würden die Geräusche wohl aufhören. Als ich an das Fenster trat und nach draußen schaute, erkannte ich die Ursache der Störung. Auf dem Balkon saß eine weiße Katze und hatte die Pfote erhoben, um an das Glas zu schlagen. Liebe Zeit, wie war die denn hier hochgekommen? Und wie die mich ansah! Noch einmal klopfte sie und maunzte dabei herzerweichend.
    Ich habe nicht viel für Tiere übrig, weder für Hunde noch für Aquariumsfische, für Wellensittiche oder gar Katzen. Sie stören mich zwar nicht, aber sie sind mir gleichgültig. Dieses Tier aber gab dermaßen deutlich zu verstehen, dass es hineinwollte, dass ich fast ohne es zu wollen die Tür öffnete. Wie ein Blitz war das weißpelzige Geschöpf in das Wohnzimmer geschlüpft und setzte sich mitten im Raum hin, um sich den Bauch zu lecken.
    »Ich brauch keine Katze, also verschwinde wieder!«, fuhr ich sie unwillig an, aber das schien die Katze nicht zu interessieren. Sie hob den Kopf und schaute mich durchdringend an. Ich starrte zurück. Ihre Augen waren schon beeindruckend – strahlend blau und irgendwie abgründig. Minutenlang verharrten wir so, und dann, ich gebe es zu, hielt ich den Blick nicht mehr aus und sah zur Seite. Damit schien das Tier zufriedengestellt, und es legte sich lang ausgestreckt auf den Boden.
    »Du kannst nicht hierbleiben, du blödes Vieh. Verschwinde!«
    Ich wies nochmals zu der offenen Balkontür, doch das hinterließ überhaupt keinen Eindruck. Im Gegenteil! Die Haltung der Katze signalisierte mir ein ganz besonders eindeutiges »Pfff!«. Da mir allmählich kalt wurde, gab ich nach und schloss die Tür. Außerdem hatte ich Hunger und wollte mir endlich etwas zu Essen machen. Dann würde ich mich wieder um die Katze kümmern.
    Dachte ich.
    Die Katze war da anderer Meinung.
    Kaum hatte ich die Küchentür aufgemacht, schoss sie hinterher und inspizierte den Raum. Die Kühlschranktür hatte es ihr besonders angetan, als ob sie wüsste, dass dahinter Nahrungsmittel lagerten. Ich ignorierte sie, schnitt mir zwei Scheiben Brot ab, legte eine Tomate dazu und holte das Stück geräucherte Putenbrust aus dem Kühlschrank. Während des Essens wollte ich den Artikel lesen, den ich am
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