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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Autoren: Aufbau
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standen der Infant Manuel, die Gräfin Castillofiel, andere Herren und Damen. Der Erste Maler des Königs, Francisco de Goya, das eine Knie auf die Stufe des Thrones gebeugt, überreichte sein Präsent, die Mappe mit den Caprichos.
    Dieweilen er kniete, kostete er ganz aus den grimmigen Spaß, der hier vor sich ging. Es war wohl der wildeste in seinem an wilden Späßen nicht armen Leben, ein Capricho, das an finsterer Possenhaftigkeit alle Caprichos in der Mappe übertraf. Da war dieser Escorial, der erhabene, prunkvoll ernste, da war dieser joviale Dummkopf von einem Monarchen und seine geile und stolze Königin, und da war er selber mit seinen arroganten Radierungen, seinen würdevollen Eseln, seinen äffischen Huren, seiner ausgemergelten Alten und seinen Gespenstern. Und für diese Kreaturen seiner frechsten Laune werden ihm die Katholischen Majestäten huldvoll danken, sie werden ihm Schutz zusichern vor dem Zugriff des Heiligen Offiziums, sie werden ihm versprechen, seine Spottgebilde der Welt zu zeigen. Und das über der Gruft der alten Weltherrscher, der Gründer und Mehrer der Inquisition! Goya vorschwebte ein Capricho, auf dem diese toten Könige mit ihren Knochenhänden die schweren Deckel ihrer Silbersärge zu heben versuchen, um dem blasphemischen Spuk ein Ende zu machen.
    Die Majestäten beschauten die Caprichos.
    Sie blätterten, sie reichten einander die Radierungen, sie schauten lange, und allmählich wich aus Goyas Herzen die grimmig vergnügte Überheblichkeit. Unbehagen schlich ihnan. Vielleicht wird allen Erwägungen zum Trotz die Königin beim Anblick des Blattes »Hasta la muerte« ihre Würde verlieren, ihm die Gabe vor die Füße werfen, ihn der Inquisition überlassen.
    Auch Manuel und Pepa schauten gekitzelt und gespannt auf Doña María Luisa. Sie war bestimmt intelligent genug, die gewissen Blätter richtig zu sehen: wird sie auch intelligent genug sein, sie zu übersehen?
    Vorläufig äußerte sich nur Don Carlos. Er hatte seinen Spaß an den Caprichos. Besonders gefiel ihm die Esels-Folge. »Da sehe ich viele von meinen Granden«, sagte er vergnügt. »So manchem unter diesen Eseln möchte ich gleich sagen: ›Cubríos.‹ Und mit wie einfachen Mitteln haben Sie das zustande gebracht, mein lieber Don Francisco. Eigentlich ist es leicht, Karikaturen zu zeichnen. Man macht eine lange Nase länger und magere Waden magerer, und schon ist es Kunst. Nächstens versuche ich es selber.«
    Doña María Luisa war in diesen Wochen erfüllt von einer heiteren Erregung. Wieder einmal hatten sich ihre Wünsche glorreich erfüllt. Sie hatte das Ihre festgehalten gegen den raubgierigen, pöbelhaften französischen General; sie hatte die Throne ihrer Kinder wieder aufgerichtet; die Königreiche Portugal, Neapel, Etrurien, das Herzogtum Parma waren fest im Besitz der Dynastie; und unbehindert wiederum fuhren ihre Schiffe über die Sieben Meere, ihr die Schätze aller Weltteile zu Füßen zu legen.
    In solcher Stimmung beschaute sie die Caprichos. Ja, ihr Maler Goya hatte ein heiteres, ruchloses Auge. Wie unbestechlich klar zeigte er einem die Männer, er hatte hinuntergeschaut in ihre stürmischen und doch so leeren Tiefen. Und wie genau kannte er die Frauen. Wie liebte, haßte, verachtete und bewunderte er sie, ein richtiger, männlicher Mann. So wie dieser Francisco es zeigte, so zu kämpfen hatte man, wenn man Frau war. Man mußte sich schmücken und darauf achten, daß der Kamm richtig im Haar saß und der Strumpf stramm am Bein, man mußte rechnen, wie man die Männerrupfen könnte, und sich wehren, daß man selber nicht zu sehr gerupft werde, man mußte sich vorsehen, daß kein heuchlerischer Großinquisitor gegen einen predigte und einen vom Throne stieß.
    Die da zum Himmel fuhr oder vielleicht zur Hölle, war das nicht die Alba? Natürlich war sie es. Auch auf verschiedenen andern dieser Blätter spukte sie, stolz und schön, aber eine Hexe. Sichtlich auch hatte sie ihrem Liebhaber Francisco böse zugesetzt; sympathisch war sie nicht auf diesen Blättern, bei all ihrer Schönheit. Jetzt jedenfalls lag sie in ihrem Mausoleum in San Isidro, verwesend, schon vergessen, und wird an diesen Caprichos weder Freude haben noch Ärger. Schmählich und unter Skandal hatte sie abtreten müssen, die Rivalin, die schöne, freche, hochmütige. Sie aber, María Luisa, war noch immer in Blüte, sie hatte noch einen recht guten Appetit auf Leben und wird noch viele sehr irdische Fahrten machen vor ihrer letzten
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