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Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Titel: Gottes kleiner Finger - [Thriller]
Autoren: Bastei Lübbe
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du?«
    »Du musst ihnen helfen«, sagte Alice. »Sonst können sie alle sterben. Jeder Einzelne.«
    »Jetzt verstehe ich nicht recht«, fragte Lauri verwundert.
    »Es ist wichtig, dass du ihnen hilfst«, erklärte Alice. »Obwohl nichts genau so ist, wie es aussieht.«
    Alice ging tiefer in den Akazienwald hinein. Die Wasserantilopen flohen vor ihnen in alle Richtungen.
    »Wohin gehen wir?«
    »Das wirst du gleich sehen.«
    »Hier irgendwo ist jedenfalls ein Büffel.«
    »Kümmere dich nicht darum. Er tut uns nichts.«
    »Wie kannst du das wissen?«
    »Vertrau mir.«
    Sie stiegen den Hang hinauf. Alles erschien Lauri immer unwirklicher. Er wusste, dass er träumte, zugleich aber wuchs in ihm das unangenehme Gefühl, dass es sich um etwas anderes handelte. Etwas ganz anderes als einen gewöhnlichen Traum.
    Als sie den Kamm erreichten, erstarrte Lauri verblüfft. Die ganze Landschaft hatte sich plötzlich verändert. Sie befanden sich nicht mehr in dem lichten Akazienwald, sondern vor ihnen erstreckte sich ein Meer von hohen gelblichen Sanddünen. Die Sonne stand plötzlich viel tiefer, sie war jetzt fast hinter dem rot lodernden Horizont verschwunden. Na, das erklärt alles, dachte Lauri erleichtert.
    Alice zog sich die Mokassins aus und trat barfuß auf den Sand. Typisch Alice, dachte Lauri. Im Sand zeichnete sich etwas Rundes ab. Als sie näher kamen, sah Lauri, dass es eine aus glatten Steinen sorgfältig wie ein Mosaik zusammengesetzte runde Fläche war. Sie war offenbar künstlich angelegt worden und wirkte sehr alt.
    Was ist das? Wer hat das gebaut?
    Das ist ja ein seltsamer Traum, dachte Lauri verschwommen.
    Etwas weiter entfernt waren im Sand zwei Reihen von Spuren zu sehen, breite, aber flache Eindrücke.
    »Die Spuren von zwei Kamelen?«, vermutete er.
    Alice nickte.
    »Richtig. Die eine ist von deinem Kamel.«
    »Moment mal. Dieser Traum wird allmählich ganz komisch. Wieso mein Kamel? Ich hab doch nur Pferde!«
    »Du glaubst also immer noch, dass dies nur ein Traum ist?«
    Es schauderte Lauri. Was meinte Alice denn nur? Sie zeigte nach Nordosten, auf eine hohe Sanddüne, die einen Kilometer entfernt aufragte.
    »Er ist ungefähr in der Richtung dort«, sagte Alice. »Er ist von der nächsten Düne aus zu sehen.«
    »Was ist dort?«
    »Merk dir, was ich gesagt habe. Merk dir Nakuru.«
    Alice bückte sich und zog ihre Mokassins an.
    »Flieh in die Wüste, dann kannst du überleben«, sagte sie.
    »Warum soll ich in die Wüste fliehen?«
    Alice ließ seine Frage unbeantwortet.
    »Denk an die Sprinkleranlagen als Waffe«, sagte sie stattdessen.
    Noch mehr nützliche Hinweise, dachte Lauri. Als müsste ich wissen, worum es geht. Alice sah seine Verwirrung und deutete wieder über die Dünen hinweg in die Ferne. Als Lauri die Augen zusammenkniff, sah er im Dunkeln etwas, oder bildete sich zumindest ein, etwas zu sehen. Als ragten hinter den Dünen riesige Ochsenhörner auf.
    »Ich bin doch gar nicht hier«, bemerkte Lauri. »In Wirklichkeit bin ich doch in New York.«
    Sein Widerspruch beeindruckte Alice nicht.
    »Wie du meinst«, sagte Alice. »Ich bin aber nur gekommen, um dir das zu sagen. Und dass du mich loslassen musst. Du musst verstehen, was ich jetzt bin. Dass ich nicht mehr das bin, was ich einmal war. Aber grüß Ayenwatha und Orinoco von mir.«
    Lauri betrachtete die beiden Kamelfährten, die hinter der hohen Sanddüne verschwanden. Er sah nicht mehr die hinter den Dünen aufragenden Ochsenhörner, oder was auch immer es gewesen sein mochte.
    »Könntest du bitte etwas weniger kryptisch sein«, bat Lauri. »Einfach mir zuliebe.«
    »Na gut«, sagte Alice. »Leb wohl, mein Liebster.«
    Lauri wandte sich Alice zu.
    Aber dort, wo sie noch einen Augenblick zuvor gestanden hatte, befand sich jetzt nur ein verfaulter Leichnam. Den grinsenden Schädel bedeckten nur ein paar Hautfetzen, und schwarze Haare lösten sich in dicken Büscheln davon ab. Die Kleider hingen abnorm an dem Körper herab, der sich in ein Skelett verwandelt hatte.
    Lauri schrie vor Entsetzen und erwachte von seinem eigenen Schrei.

4
    Lauri richtete sich in eine halb sitzende Stellung auf. Er sah, dass Katharine Henshaw ihn von der Tür ihres Schlafzimmers her seltsam ansah.
    »Ein böser Traum, oder?«
    Lauri bemühte sich, die albtraumhafte Stimmung abzuschütteln, die der Traum bei ihm hinterlassen hatte. Er war ihm so fürchterlich real erschienen. Als wäre alles, was er gesehen hatte, wirklich passiert.
    Lauri schaute auf die Uhr.
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