Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Titel: Gottes kleiner Finger - [Thriller]
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
noch nicht recht, was geschehen war.
    »Alice hatte zu keinem Zeitpunkt irgendeine Chance.«
    Aha, dachte die Frau, jetzt geht das wieder los.
    »Sie hätte es gar nicht erst versuchen sollen. Ein kleiner Fehler, eine Sekunde, und du kannst nichts mehr tun. Niemals wieder.«
    Das verstehe ich sehr gut, dachte die Frau. Nur allzu gut.
    Als sie sich dem Ende der Gasse näherten, glitt aus dem Schatten eine Reihe dunkler Gestalten hervor, die ihnen den Weg versperrten. Vier, fünf. Die Frau spürte leichten Ärger in sich aufsteigen. Das hatte gerade noch gefehlt.
    »Ihr befindet euch auf Privatgelände«, sagte die erste Gestalt drohend, offenkundig der Anführer der Truppe.
    Er war jung, kaum zwanzig Jahre alt. Er sprach absichtlich langsam und nachlässig und bemühte sich sehr, gefährlich zu wirken und älter, als er war. Rasch warf die Frau ihrem Begleiter einen Blick zu: Noch hingen seine Hände normal zu beiden Seiten herab. Die Frau wandte sich an den Anführer der Bande.
    »Ich hab nur fünfzig Dollar bei mir«, sagte sie seltsam gleichgültig. »Und die brauche ich für das Taxi. Sorry.«
    »Vielleicht hast du etwas anderes, das uns interessieren könnte«, sagte der junge Mann.
    Die Reaktion der Frau überraschte ihn. Die Frau lachte, aufrichtig amüsiert.
    »Also, jetzt ist aber gut. Ihr wollt mich doch nicht vergewaltigen. Bei diesem Wetter! Nun verzieht euch mal, bevor etwas Unangenehmes passiert.«
    Der Bandenführer zuckte zusammen. Wieso hatte die Frau keine Angst? Er zeigte auf den Mann, der hinter der Frau stand.
    »Vielleicht hat dein Freund ja mehr Geld.«
    Der Mann verstand, dass sie über ihn sprachen. Er klopfte seine Taschen ab, fand seine Brieftasche und öffnete den Reißverschluss eines kleinen Extrafachs. Er zog eine Kreditkarte heraus und näherte sich mit der Karte in der Hand dem Anführer der Bande.
    »Nehmt doch die hier, sozusagen als Vorspeise«, lispelte er. »Ich sag euch den PIN-Code, sobald er mir einfällt. Damit kriegt ihr schon was. Wenn ihr nur ... wenn ihr uns nur in Ruhe lasst und wir gehen dürfen. Seid so lieb. Please.«
    Der Mann schwankte heftig, so als fiele es ihm schwer, sich aufrecht zu halten. Es war, als hätte sich seine Trunkenheit plötzlich um ein oder zwei Promille verstärkt. Der Anführer wirkte erleichtert.
    Die Frau sah ihren Begleiter, die ausgestreckte Hand und die Kreditkarte an. Plötzlich wirkte sie sehr misstrauisch, und ihre Stirn legte sich in Falten.
    »Lauri«, sagte sie. »Nein! Auf keinen Fall. NEIN!«
    Die Frau bedeutete dem Bandenführer, er solle stehen bleiben. Die Geste war so eindrucksvoll, dass er wie angewurzelt stehen blieb und selbst davon überrascht schien, dass er gehorcht hatte.
    »Wäre das nicht ... das Vernünftigste?«, versuchte es der Betrunkene. »Das ist nur Geld, davon kann man mehr aus der Wand ziehen. So viel, wie in der Bank vorhanden ist.«
    Die Frau schüttelte den Kopf, und Ärger flammte in ihren Augen auf.
    »Mach keinen Quatsch, du weißt sehr wohl, was ich meine. Du hast gesagt, nie wieder. Nie wieder durch deine Hand. Weißt du noch? Weißt du noch? Oder verstehst du etwa nicht, wovon ich rede?«
    Die Frau machte eine kaum wahrnehmbare Bewegung mit dem Kopf nur ein paar Zentimeter in die Richtung der Hand des Mannes. Der Mann hielt die Kreditkarte zwischen drei Fingern, so als wäre sie das Skalpell eines Chirurgen. Der Blick der Frau war scharf und unnachgiebig. Die Miene des Mannes veränderte sich.
    »Du hast es versprochen!«, schnauzte die Frau.
    »Das ist, genau genommen, wahrscheinlich wahr«, gab der Mann zu.
    Plötzlich klang er gar nicht mehr so betrunken.
    »Warte wenigstens, bis ich von hier weg bin«, fuhr sie ihn an. »Ich möchte nicht sehen, was als Nächstes passiert!«
    »Nein, das brauchst du nicht«, sagte der Mann langsam. »Du hast bestimmt ganz recht.«
    Der Mann schob die Kreditkarte zurück in seine Brieftasche, die er einsteckte. Der Bandenführer wurde ärgerlich.
    »Ey, was bildest du dir eigentlich ein?«
    Er preschte vor, um sich die Brieftasche zu schnappen.
    »Pass auf!«, schrie die Frau.
    Der Bandenführer kam nicht dazu zu begreifen, was geschah. Der Arm des halb bewusstlos wirkenden Mannes erwachte plötzlich zu eigenem Leben, ohne dass er auch nur den Blick hob. Unfassbar schnell sprang er vor – niemand konnte sich so bewegen, schon gar nicht ein stark betrunkener Mann. Dann hielt seine Hand auch schon die des Bandenführers umklammert. Man hörte ein Krachen, als etwas
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher