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Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Titel: Gottes kleiner Finger - [Thriller]
Autoren: Bastei Lübbe
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und überholte einen Lkw nach dem anderen, sie blieben gleichsam stehen, nachdem die Limousine an ihnen vorbeigerauscht war.
    Auf der Rückbank des Wagens saßen zwei Personen, ein Mann und eine Frau. Die Frau musste sich schon dem Rentenalter nähern, aber sie war offenbar noch in guter physischer Verfassung. Sie hatte weißes, sprödes Haar und ein sonnengebräuntes Gesicht. Der Mann neben ihr hatte den über dem Gürtel gewölbten Bauch eines Menschen von mittlerem Alter und ein leicht beschädigtes Lid, das halb über das linke Auge herabhing.
    »Ulrich, fährst du jetzt nicht ein wenig zu schnell?«, fragte die Frau auf Deutsch.
    Der Mann am Lenkrad lachte, und die Nadel des mattgrün schimmernden Tachos ging von hundertsechzig auf hundertfünfzig herunter, und dann noch weiter auf hundertdreißig.
    »So ist es viel besser«, sagte die weißhaarige Frau billigend.
    »In unserem Land wäre das immer noch eine sehr beachtliche Geschwindigkeit«, sagte der neben ihr sitzende Mann.
    Er sprach Deutsch mit starkem Akzent.
    »Dein Landsmann, wie hieß er doch gleich, du meinst, er wäre bereit, mich zu empfangen?«, fragte die Frau.
    Ihr Begleiter nickte.
    »Bestimmt. Ich glaube, es ist das Beste, ihn einfach aufzusuchen. Nina hat den Flug schon gebucht, für Dienstag. Frag sie nach den Einzelheiten.«
    »Gut. Hast du direkt mit ihm gesprochen?«
    Der beleibte Mann schüttelte den Kopf.
    »Nein. Er ist schwer erreichbar. Aber bist du sicher, dass wir ihm vertrauen können?«
    Die Frau zuckte die Achseln.
    »Woher soll ich das wissen? Aber beide, Fizzpatrick und Bicheno, haben ihn empfohlen. Und zwar wärmstens.«
    »Warum sollte er auf unser Angebot eingehen?«
    Ein müdes Lächeln erhellte für einen Augenblick das Gesicht der Frau.
    »Bicheno sagt, dass er der Versuchung wahrscheinlich nicht widerstehen kann. Bicheno vermutet, dass er, wenn wir ihm damit gewissermaßen die Möglichkeit bieten zu zeigen, wie man zum Beispiel in Afghanistan und im Irak hätte vorgehen müssen, den Köder schlucken wird.«
    »Wenn deine Freunde, die Senatoren, so gut Bescheid wissen, dann wird es bestimmt funktionieren«, bemerkte der Mann trocken. »Wir werden sehen.«
    »Die Arbeiten sind wieder fast zum Erliegen gekommen, schon seit bald zwei Wochen«, sagte die Frau müde.
    »Ich weiß.«
    »Die Löhne werden die ganze Zeit gezahlt, obwohl nichts geschieht. Wenn das so weitergeht, dann trocknet das Projekt alle meine anderen Unternehmungen aus, ich bekomme allmählich an allen Ecken und Enden ernsthafte Cashflow-Probleme. Entweder wir unternehmen etwas dagegen, oder ich muss das Handtuch werfen.«
    Lange Zeit sagte der Mann nichts, er schaute nur nach den Lichtern der entgegenkommenden Personen- und Lastkraftwagen, nach den hoch oben auf dem Berg in der Dunkelheit leuchtenden Straßenlaternen und den erleuchteten Fenstern der Häuser.
    »Ist es schon so schlimm?«, fragte er schließlich.
    »Mittlerweile ja. Wenn es so weitergeht, wird Gottes Kleiner Finger niemals fertig.«
    »Dann hoffe ich inständig, dass Fizzpatrick und Bicheno wissen, wovon sie reden.«

2
    Wieder begann es zu regnen, und die Frau öffnete ihren großen gelben Regenschirm. Geräuschvoll prasselten die schweren Tropfen darauf nieder. Der Schirm schützte den Oberkörper, aber auf dem Asphalt explodierten die Regentropfen wie winzige Bomben zu feinen Partikeln, und ihre Hosenbeine wurden sofort nass. Ihre Mokassins waren schon völlig durchweicht, denn die Straße war überflutet, die Straßengräben rauschten wie kleine Stromschnellen, und die Gullys konnten das vom Himmel herabstürzende Wasser nicht fassen.
    Wie weit ist er gegangen?, dachte die Frau nervös, während sie sich immer weiter in die dunkle Gasse hineinbegab. Hinter ihr waren die flackernden Lichter der Wolkenkratzer von Manhattan zu sehen, und das vertraute Brausen der Stadt dröhnte ihr in den Ohren. Der Mann, den sie suchte, hatte nach Aussagen von Augenzeugen das Restaurant erst vor zehn Minuten verlassen und war in dieselbe Richtung gegangen.
    Anscheinend nahm der Regen noch zu. Himmel, das ist ja fast schon tropisch, dachte die Frau, als ein heftiger Windstoß ihr beinahe den Regenschirm aus der Hand riss. Das Wasser kam ihr fast waagerecht entgegen, sodass sie jetzt schon bis zur Taille nass geworden war.
    Wo bist du?, dachte sie, während sie durch die von einem verstopften Gully verursachte Überschwemmung watete. Am Rand der dunklen Gasse lag eine Menge Unrat. Müllsäcke aus Plastik,
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