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Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Titel: Gottes kleiner Finger - [Thriller]
Autoren: Bastei Lübbe
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    MAADI, Ä GYPTEN
    F EBRUAR 1915
    An dem Tag, an dem die erste Revolution der Sonnenenergie starb, bevor sie überhaupt geboren wurde, glühte die Sonne so großartig und grausam wie immer am ägyptischen Himmel. Frank Shuman saß auf dem Erdboden und sah zu, wie seine Lebensarbeit zerstört wurde.
    »Effendi, Sir, wir müssen gehen«, hörte er Omar al-Hadidi immer wieder sagen.
    »Ich kann die Parabolrinnen nicht unbewacht zurücklassen«, klagte Shuman.
    Er war von mittlerer Statur und trug trotz der Hitze einen korrekten grauen Anzug und eine Brille mit runden Gläsern. Die Maschinengewehrgarben der Türken knatterten jetzt schon viel näher. Unter den Lärm der leichten Waffen mischten sich inzwischen auch vereinzelte Kanonenschüsse.
    Shuman sah dort, wo die Granaten explodierten, dunkle Wolken zum Himmel aufsteigen. Er hatte gehört, dass zwanzigtausend Türken an mehreren Stellen den Suezkanal überquert und Kairo und Alexandria angegriffen hatten.
    Hinter ihnen gab es in einigen Kilometern Entfernung fünf lange, in Nordsüdrichtung angelegte und acht Meter voneinander entfernte Parabolrinnen mit spiegelblanker Oberfläche. Jede war etwa sechzig Meter lang und vier Meter breit. Die blanken, trogartigen Reflektoren warfen das gebündelte Sonnenlicht auf die im Brennpunkt der Rinnen angebrachten schwarzen Röhren. Shuman wusste, dass die Rinnen insgesamt eine Leistung von etwas mehr als fünfzig Pferdestärken würden produzieren können.
    »Effendi«, sagte Omar noch nachdrücklicher.
    Eine einsame Granate explodierte nur wenige Hundert Meter entfernt, und feiner Sand und Staub regnete auf sie herab, sodass sie eine Weile husten mussten und zu ersticken glaubten. Überall fielen kleine Steine herab. Etwas Scharfes streifte Shumans Nase und schnitt eine Wunde hinein, die sofort zu bluten begann.
    »Wir waren so nahe dran«, seufzte Shuman.
    »Ich weiß, Effendi. Aber hier sind wir nicht mehr sicher. Die Türken kommen!«
    Shuman erinnerte sich an all ihre früheren demütigenden Misserfolge und die unzähligen Schwierigkeiten, die sich ihnen auf ihrem Weg entgegengestellt hatten. Wie er, ausgehend von der alten Idee des Schweden Ericsson, allmählich immer besser funktionierende Sonnenkraftwerke gebaut hatte, zunächst in Tacony in den Vereinigten Staaten und dann im ägyptischen Maadi. Er erinnerte sich nur zu gut an all die Male, wo seine Errungenschaften in den Zeitungen und bei verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen verspottet und verächtlich gemacht worden waren, mal sehr direkt, mal verklausuliert.
    Erst in allerletzter Zeit, als jene fünf Reflektoren in Maadi ihre endgültige Form gefunden hatten, war der Spott überraschend verstummt. Die Deutschen hatten berechnet, dass Shumans Sonnenkraftwerk so viel Kohle einsparen würde, dass es sich in vier Jahren amortisiert haben und einen jährlichen Zins von fünfundachtzig Prozent auf die Investition erbringen würde. Der Deutsche Reichstag hatte deswegen eine Sondersitzung zur Sonnenenergie anberaumt und ihn, Frank Shuman, als Hauptredner eingeladen, eine Ehre, die der deutsche Staat noch niemals zuvor einem Erfinder hatte zuteilwerden lassen. Deutschland hatte bei ihm ein Sonnenkraftwerk für Südwestafrika bestellt, das viel größer sein sollte als das von Maadi. Auch Lord Kitchener wollte für den britischen Sudan einen großen Prototyp des Sonnenkraftwerks haben, um das Wasser für die Bewässerung seiner achttausend Hektar großen Baumwollplantagen heranpumpen zu können. Sogar die wissenschaftlichen Zeitschriften, die früher seinen Unternehmungen sehr skeptisch gegenübergestanden hatten, wie etwa sein alter Feind Scientific American, hatten plötzlich angefangen, dieses Sonnenkraftwerk zu rühmen. Was natürlich auch kein Wunder war, denn mithilfe seiner Kraftwerke würden nur einige zehntausend Quadratkilometer Sahara bald den Energiebedarf der gesamten Menschheit decken können.
    Alles wäre so gut gewesen. Wenn nur ...
    Plötzlich mischte sich ferner, dröhnender Donner unter den Gefechtslärm – dann ein schwereres, langsameres Heulen –, und die Landschaft vor ihm zersprang zu einem Hexenkessel hoher schwarzer Explosionswolken. Das Krachen der Explosionen stürzte über sie herein wie eine Wand.
    Shuman begriff, dass die bei Alexandria vor Anker liegenden zwölf englischen Kriegsschiffe das Feuer eröffnet hatten, um die britischen Landstreitkräfte bei der Abwehr des Angriffs zu unterstützen.
    »Effendi, wir müssen gehen«,
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