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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen
Autoren: Peter Ustinov
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einsetzen, um klarzustellen, daß Sie nicht an meine mögliche Unschuld glauben. Nein, vielen Dank. Ich habe bessere Chancen, wenn ich mich selbst verteidige. Aber vielen Dank für Ihre Großzügigkeit!« Manasse wartete geduldig das Ende des Ausbruchs ab. Dann sprach er mit großer Aufrichtigkeit zu der Kreatur, die nun in ihrer Wut durch die Zelle strich. »Ich bin zu stolz auf meine Laufbahn, als daß ich so handeln würde, wie Sie vermuten. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, meine Prozesse zu gewinnen. Glauben Sie, ich als menschliches Wesen könnte es ertragen, wenn meine Kollegen anfangen würden zu sagen: >Der alte Manasse läßt nach.    »Warum?« fragte Gargaglia betäubt.
    Manasse lächelte. »Es gibt noch Hoffnung für Sie«, sagte er. »Einen Augenblick fürchtete ich, Sie würden mich fragen, >wie<, und nicht, >warum<.«
    Manasse erhob sich. »Ich bin gekommen«, fuhr er fort, »um zu sehen, ob Sie verletzlich wären, ob Sie menschlich wären, ob Sie leiden könnten, und ich bin befriedigt. Sie kauerten in einer Ecke, als ich eintrat. Sie hatten Angst. Das war ein gutes Zeichen. Sie versuchten, Ihre Taten zu rechtfertigen, und fanden es unmöglich. Sie haben ein Gewissen, das wieder anfangen wird zu funktionieren, langsam und mühselig, wie ein Kind laufen lernt. Sie weinten, und es geschah nicht nur aus Erschöpfung. Sie sind besserungsfähig, und insofern haben Sie meinen Glauben an die Menschheit ein wenig bestätigt. In diesen Zeiten brauche ich wenigstens jeden Tag eine Bestätigung, bis auch ich anfangen kann, Güte wieder für selbstverständlich zu halten.«
    Manasse bewegte sich zur Tür. »Wollen Sie, daß ich Sie verteidige?«
    Gargaglia blickte auf den Boden. »Warum machen Sie sich die Mühe?« flüsterte er.
    »Warum?« antwortete Manasse. Seine blauen Augen waren jetzt kalt und klar und völlig gefühllos. »Weil es die furchtbarste Rache ist, die ich mir vorstellen konnte – Sie erfolgreich zu verteidigen, und kostenlos.«
    Die Zelle war leer. Gargaglia sah sein Leben vor sich ausgebreitet, bis ins Unendliche, jeder Tag eine Zelle, so leer wie diese, in der er sich befand. Er sank auf die Knie, nicht um zu beten, sondern weil das Gewicht seiner Demütigung ihn niederdrückte. Er versuchte wieder zu weinen, aber es waren ihm keine Tränen geblieben. In diesem Moment hätte er jedem Befehl gehorcht, von jedem. Die Salve des Hinrichtungskommandos wäre ein menschenfreundlicher Akt gewesen; aber andererseits ist das Leben häufig grausamer als der Tod, denn es ist reich an Zeit, der Tod nur reich an Schweigen.

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