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Gott geweiht

Gott geweiht

Titel: Gott geweiht
Autoren: C.E. Lawrence
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damit einen Fehler gemacht hatte – emotional schien Lee der Aufgabe nicht gewachsen zu sein.
    Chuck schaute aus dem schmutzigen Bürofenster, während er weiter geistesabwesend mit dem Briefbeschwerer spielte.
    »Es gab also keine Anzeichen für ein Sexualverbrechen, stimmt’s?«, murmelte Lee, der noch immer die Fotos studierte.
    »Stimmt«, bestätigte Chuck. »Der Laborbericht ist gerade gekommen. Aber woher wusstest du –«
    »Ich sag es dir, Chuck, derselbe Kerl, der diese Unbekannte auf dem Gewissen hat, hat gestern Nacht auch Marie Kelleher umgebracht!«
    Chuck sah ihn an.
    »Du denkst wirklich, dass da eine Verbindung besteht?«
    »Ja.«
    Morton schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Lee. Das klingt für mich doch ziemlich weit hergeholt.«
    Lee strich sich mit den Fingern durch das lockige schwarze Haar, das tat er oft, wenn er aufgewühlt war. Auch das Haar seines Freundes war länger, ging es Chuck durch den Kopf – zottelig sogar, an seinen eigenen Maßstäben gemessen. Er trug sein rotblondes Haar kurz – wie die Borsten einer Bürste, sagte seine Frau immer.
    Die Tatortfotos, die Lee studierte, stammten von einem unaufgeklärten Mord vor einigen Wochen drüben in Queens – Unbekannte Tote Nummer Fünf, nannten sie sie. Sie sah sehr gepflegt aus, daher war es merkwürdig, dass sie noch immer niemand als vermisst gemeldet hatte.
    Draußen vor Mortons Büro traf die Morgenschicht ein, und die Bronx Major Case Unit machte sich langsam für den neuen Arbeitstag bereit. Das Aroma frischen Kaffees drang durch die geschlossene Tür, und Morton lief das Wasser im Mund zusammen. Er schaute wehmütig auf den leeren Kaffeebecher auf dem Schreibtisch, schluckte und rieb sich seine von Schlafmangel schmerzenden Augen.
    »Ich weiß einfach, dass es eine Verbindung gibt, Chuck«, sagte Lee. »Die Art und Weise, wie er die Leichen in Pose bringt –«
    »Aber Nummer Fünf wurde nicht verstümmelt«, wandte Chuck ein.
    »Nein, weil er sich damit noch nicht richtig wohlfühlte – sie war wahrscheinlich sein erstes Opfer.«
    »Okay, okay«, sagte Morton. »Ich glaube dir. Das Problem ist, ich weiß nicht, ob die anderen es auch tun werden.«
    Lee stand auf und lief in dem kleinen Büro auf und ab. »Der gleiche Täter, der diese Frau in Queens getötet hat, hat auch Marie Kelleher umgebracht. Da bin ich mir hundertprozentig sicher!« Er hielt Chuck ein Foto unter die Nase. Der Hochglanzabzug zeigte eine nackte junge Frau, die in der Haltung eines Kreuzigungsopfers mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken lag. Die Leiche war in einem Graben am Rand des Greenlawn-Friedhofs in Queens gefunden worden.
    »Schau es dir genau an!«, drängte Lee angespannt. »Guck dir an, wie er die Leiche da hingelegt hat! Genau wie bei Marie Kelleher, nur dass er dieses Mal seiner Phantasie ein bisschen nähergekommen ist.«
    »Und was ist seine Phantasie?«
    »Die Leiche in einer Kirche zurückzulassen. Das war kein willkürlicher Akt. Und die Verstümmelungen – auch Teil der Phantasie.«
    Chuck lehnte sich in seinem Drehsessel zurück. »Ich weiß nicht, Lee – das scheint mir doch ein wenig dürftig.«
    »Ich sage dir noch etwas. Er wird nicht aufhören, bis er gefasst ist.«
    »Du meinst also, wir haben es hier mit einem Serientäter zu tun?«
    »Ganz genau.«
    Etwas in seinem Tonfall überzeugte Morton.
    »Bitte, Chuck«, sagte Lee. »Bitte. Ich muss die Ermittlungsakte des Queens-Mordes lesen.«
    Morton stand auf. Er fühlte sich steif und alt und müde. Dass sein Freund so aufgekratzt und energiegeladen war, half da auch nicht gerade.
    »Okay, okay«, sagte er. »Ich musste ein paar Leute daran erinnern, dass sie mir einen Gefallen schulden, um überhaupt Abzüge von den Fotos hier zu bekommen. Lass mich das erst mit unseren Chefs klären, okay? Dir muss ich ja nicht sagen, wie ungern Detectives Informationen über ihre Fälle teilen.«
    »Na gut.«
    Campbell wandte sich zum Gehen, schwankte und musste sich am Türrahmen festhalten.
    »Alles okay?«, fragte Chuck und streckte seine Hand nach ihm aus.
    Lee winkte ab. »Ja, ja. Ich bin nur etwas übermüdet, mehr nicht.«
    Morton glaubte ihm nicht, behielt das aber für sich.
    »Kann ich mit dem Pathologen sprechen, der für Maries Obduktion zuständig ist?«, fragte Lee.
    »Wüsste nicht, was dagegen spricht. Ich geb dir Bescheid«, erwiderte Chuck.
    »Gut«, sagte Campbell. An der Bürotür blieb er stehen, als wollte er noch etwas sagen, doch dann drehte er sich wieder um,
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