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Gott geweiht

Gott geweiht

Titel: Gott geweiht
Autoren: C.E. Lawrence
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vom gelben Lampenlicht beleuchteten Silhouetten betrachtete – durchscheinende, geheimnisvolle Zauberwesen –, versetzten ihn der matte Schein des Zimmers und die sanfte Brise auf seinen Wangen in einen tranceähnlichen Zustand, und er trieb gefangen im Netz süßen Verlangens dahin.
    Dann warf eine der jungen Frauen den Kopf zurück und lachte über irgendetwas (die Worte konnte er nicht verstehen), und er sah, wie das Licht auf die geschwungene Linie ihres entblößten, so verletzlichen Halses fiel. Er stellte sich vor, wie sich seine Hände um diesen weißen Hals legten und zudrückten, fester und fester pressten, bis das Leben durch seine Finger sickerte.
    Es war eine erregende Vorstellung – und sie packte ihn mit einer Macht, die ihn bis ins Mark erschütterte. Er zitterte, er schwitzte, er brannte heiß vom lodernden Feuer tief in seinem Innern, einem Ort, von dem er bis jetzt nicht einmal gewusst hatte, dass er existierte, einem Ort, den seine Mutter nicht sehen konnte, sich niemals hätte vorstellen können . Dies war sein Geheimnis, seine kostbare Phantasie. Samuel erschauerte bei dem Gedanken, etwas vor seiner Mutter geheim zu halten – es machte ihn trunken vor Männlichkeit. Er drehte sich um und ging vom Fenster weg, wobei er seine Finger um den Schlüsselbund an seinem Gürtel legte, damit die Schlüssel nicht klirrten.
    Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich mächtig.

KAPITEL 5

    Captain Chuck Morton lehnte sich in seinem Drehsessel zurück und musterte den Mann, der auf der anderen Seite seines Schreibtischs saß. Er wirkte mager, noch dünner als vor zwei Monaten, und entschieden hagerer als damals in Princeton, als sie sich eine Unterkunft im Studentenwohnheim geteilt hatten. Das kantige, gut aussehende Gesicht seines Freundes war blass und abgespannt, sein langer Körper kraftlos vorgebeugt, und die Ellbogen hatte er auf die Armlehnen gestützt. Chuck wusste, dass Lee seit weit vor dem Morgengrauen wach war.
    Er seufzte – selbst während sein Freund hier saß und Tatortfotos studierte, wirkte er rastlos und unruhig. Ihre sorglose Zeit in Princeton lag lange zurück, eine Zeit, in der nichts wichtiger gewesen war als Rugby, Mädchen und Zensuren – in genau der Reihenfolge. Chuck hatte Mitleid mit seinem alten Freund – dies war nicht derselbe Lee Campbell, den er von der Uni kannte.
    Durchgeknallt . So titulierten ihn einige der Streifenpolizisten hinter seinem Rücken, doch Chucks Loyalität gegenüber diesem leidenschaftlichen ernsthaften Mann mit dem gemarterten Blick und den nervösen Händen war unerschütterlich. Eine Loyalität, die weit über ihre unbeschwerte Studienzeit in Princetons altehrwürdigen Hallen hinausreichte. Auf dem Rugbyfeld war Lee der Mannschaftskapitän gewesen – mit flinken Händen und einem noch flinkeren Verstand, wie geschaffen für die Schlüsselposition des Verbindungshalbs –, Chuck hingegen keine ganz große Nummer, aber immerhin ein verlässlicher Spieler. Lee war der geborene Anführer, Chuck der geborene Kamerad. Sie waren in ihrem ersten Jahr als Zimmergenossen Freunde geworden. Nicht einmal eine Frau hätte die beiden entzweien können.
    »Weißt du«, sagte Chuck, »vielleicht hätte ich dich bei dieser Sache nicht hinzuziehen sollen. Vielleicht war das –«
    »Ein Fehler?«, fiel Lee ihm ins Wort. »Unsinn, Chuck – ein Blinder kann sehen, dass dieser Fall einen Profiler braucht.«
    »Nein, das meine ich nicht. Ich dachte nur, wegen …« Chuck verstummte, wollte die Worte nicht aussprechen. Er kam sich wie ein Feigling vor.
    »Himmel, Chuck, du kannst dir nicht bei jedem Fall, an dem ich mitarbeite, Sorgen machen, nur weil er mich möglicherweise an das Verschwinden meiner Schwester erinnern könnte.«
    Vor fünf Jahren war Lee Campbells jüngere Schwester spurlos aus ihrer Wohnung in Greenwich Village verschwunden, und mit einem Schlag hatte sich alles geändert. Lee war ein anderer Mensch geworden. Es schien, als hätte sich seine Seele seitdem verdunkelt. Er hatte eine einträgliche Praxis als Psychologe gehabt, und Chuck war überrascht gewesen, als Lee ihm einige Monate nach dem Verschwinden seiner Schwester mitteilte, dass er am John Jay College ein Aufbaustudium in Forensischer Psychologie begonnen habe. Sobald Lee seinen Abschluss gemacht hatte, setzte Chuck alle Hebel in Bewegung, um ihm seine derzeitige Anstellung als einziger hauptberuflicher Profiler des NYPD zu besorgen. In letzter Zeit fragte er sich allerdings, ob er
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