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Gorian 2

Gorian 2

Titel: Gorian 2
Autoren: Alfred Bekker
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wirkten mächtige Kräfte darauf ein. Magische Kräfte, allen voran die stärker werdende Aura Morygors und die kalten Frostwinde, die er von den Frostgöttern nach Süden schicken ließ. Spätestens das Eis würde alles niederwalzen und einknicken wie Grashalme, die man niedertrat. Den Turm und den Stadtbaum gleich mit. Nichts würde dieser Urgewalt widerstehen.
    Gorian fühlte sich wie betäubt. Seine Hand umklammerte noch immer den Griff von Sternenklinge, obwohl ihn die Waffe nicht davor bewahren würde, am Boden zerschmettert zu werden. Einen solchen Fall konnte niemand so abbremsen, dass er ihn überlebte. Zumindest nicht, wenn man einen vergleichsweise empfindlichen menschlichen Körper hatte. Für Gargoyles mochten andere Gesetze gelten.
    Die Gedanken rasten in Gorian, während sich die Zeit zu dehnen schien. Sollte das, was er als seine Bestimmung angesehen hatte, bereits sein Ende gefunden haben? Sollte die letzte Begegnung mit Morygor niemals stattfinden und er nie dessen Schicksalslinie kreuzen?
    Wenn dem so war, hatte Morygor gesiegt.
    Und das vermutlich endgültig.
    Erdenrund würde ein einziges Reich der Kälte werden, von den Polen bis zum Äquator mit Eis bedeckt. Selbst entfernte, unbekannte Länder würden unter der sich ausbreitenden Kälte untergehen, noch bevor die dort lebenden Wesen auch nur ahnten, welche Macht für ihre Vernichtung verantwortlich war.
    Gorian dachte an Sheera, seine Seelenverwandte, deren Gedanken nicht mehr zu ihm sprachen. Aber für einen Moment war ihm, als ob er durch ihre Augen blickte. Er sah aus ihrer Perspektive von einem weißen Riesenfledertier hinab, dessen Flügel ruhig in der Luft standen, blickte kurz
zurück zu dem nadelartig in den Himmel ragenden Turm und sah aus den Augenwinkeln das schattenhafte Profil von Torbas’ Gesicht.
    »Warum folgst du ihm?«, dachte er – aber es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass sein Gedanke sie erreichte.
    Er hatte Torbas für einen Freund gehalten. Seinen Zwilling im Geiste, dem er Schattenstich überlassen hatte.
    Als er das Feuer auf dem Schattenbringer aufblitzen sah, dachte er an Ar-Don. Wer hätte gedacht, dass sich ausgerechnet der Gargoyle als Gorians treuester Gefährte erweisen würde, zumal er doch einst gekommen war, um Gorian zu töten. Ausgerechnet er …
    Er sah sein Leben wie im Flug an sich vorüberziehen. All die Erinnerungen, die mit jenem Moment begannen, da er im Boot seines Vaters in der Bucht von Thisilien erwacht war. Und noch einmal sah er vor seinem geistigen Auge, wie Nhorich, sein Vater, von den Frostkriegern erschlagen worden war.
    Sollte all das umsonst gewesen sein?
    Nein!
    Der Moment der Agonie ging vorüber, und wie ein Fanal durchschoss Gorian die Erkenntnis, dass es nur eine Möglichkeit gab, am Leben zu bleiben.
    Die Schattenpfade!
    Er hatte die Ausbildung im Haus der Schattenmeister begonnen, aber in den Wochen vor dem Fall der Ordensburg hatte kein geordneter Unterricht mehr stattfinden können. So gut wie alle Schattenmeister waren für den Kampf gegen Morygors Horden oder für Kundschafterdienste im Frostreich abgezogen worden, und so hatte Gorian im Wesentlichen nur theoretisches Wissen über die Schattenpfadgängerei erlangt. Bis auf kurze unfreiwillige Aufenthalte im
Zwischenreich der Schattenpfade, wie etwa während seines Kampfes gegen den Totenalb im Palast des Greifenreiter-Königs.
    Die Gefahr, in den Zwischenwelten zu stranden, war immens groß. Wenn ihm das widerfuhr, gab es kaum noch Rettung. Im schlimmsten Fall würde er sich auf einer Welt wiederfinden, auf der er fortan vollkommen allein existieren würde, bar jeden Sinneseindrucks und jeden Voranschreitens der Zeit, eine Ewigkeit gefangen in den eigenen Gedanken eines einzigen Moments. Konnte man sich eine furchtbarere Folter vorstellen? Selbst der Tod konnte nicht schlimmer sein, auch dann nicht, wenn die schrecklichsten Vorstellungen der Priesterschaft des Verborgenen Gottes über die Hölle der Wahrheit entsprachen.
    Als Gorian die Dreizahnigen davonfliegen sah – auf einem von ihnen unverkennbar Sheera und Torbas -, war sein erster Gedanke, sie über die Schattenpfade zu verfolgen. Wohin sie sich auch wenden würden, er konnte sie einholen. Das Beschreiten der Schattenpfade erlaubte schließlich, die entferntesten Orte ohne nennenswerten Zeitverlust zu erreichen. Und in diesem Moment wäre es ihm auch gleichgültig gewesen, wenn er dafür so viel Kraft hätte aufwenden müssen, dass er dadurch zum vorzeitig
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