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Gorian 2

Gorian 2

Titel: Gorian 2
Autoren: Alfred Bekker
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vollkommen dunklen Oberfläche des Schattenbringers auf. Ar-Don! , durchfuhr es Torbas. Offenbar hatte das zwielichtige, undurchschaubare Wesen nur für diesen Moment all die Kraft und die Materie gesammelt und die grotesk vermehrte Substanz seines Körpers mit purer Magie aufgeladen. Für diesen Moment, den diese Kreatur vielleicht vorhergesehen hatte – doch wer vermochte das schon mit Bestimmtheit zu sagen?
    Aber auch wenn der Gargoyle dieses magische Experiment letztlich doch noch zu einem gewissen Erfolg geführt hatte, er konnte sich nur einmal opfern.
    Torbas glaubte fast körperlich zu spüren, wie der Schattenbringer in Bewegung geriet, und wenige Augenblicke später veränderte sich der Sonnenlichtkranz, wurde breiter, heller und schloss sich schließlich sogar wieder.
    »Hierher!« Torbas streckte die Hände aus, und ein Chor durchdringender Schreie antwortete ihm. Es waren die dreizahnigen Riesenfledertiere, die wie in einer Phalanx auf den Turm zuflogen, riesenhaft, doch pfeilschnell. Sie umkreisten den Turm, bis eines der Monstren aus der Formation ausscherte und auf dem Turm landete.
    Torbas wandte sich an Sheera, die noch immer in ihrer Starre gefangen war.

    »Komm!«
    Ein Gedanke wie ein Peitschenschlag. Sie zuckte regelrecht darunter zusammen, und ein wimmernder Laut drang ihr über die Lippen, der vielleicht ein Wort des Protestes hatte werden sollen, aber nicht mehr als das schmerzerfüllte Aufbäumen einer gefangenen Seele war, die kaum noch wusste, wer sie war, und aus der alle Klarheit der Gedanken längst verschwunden war.
    Abermals ging ein Ruck durch ihren zierlichen Körper, dann gehorchte sie. Torbas half ihr auf den Rücken des Dreizahnigen und setzte sich hinter sie. Ein Gedanke genügte, damit sich das Wesen mit machtvollem Flügelschlag emporhob.
    Gleich darauf stürzten sich die fünf anderen Dreizahnigen auf den Hohlspiegel, packten ihn mit ihren Pranken. Blitze zuckten aus dem Sternenmetall, aber sie konnten den Kreaturen nicht gefährlich werden, schließlich zählten die Dreizahnigen zu den Frostgöttern, und auch wenn Morygor sie zu Befehlsempfängern degradiert hatte, so waren sie in der alten Zeit vor der Schlacht am Weltentor von den Völkern des Nordens als machtvolle Herrscher verehrt worden.
    Die dreizahnigen Riesenfledertiere rissen den Spiegel aus seiner Verankerung und flogen mit ihm davon, hinaus in die Weite des Meeres. Als sie das seichte Küstengewässer um die Caladranischen Inseln verlassen hatten und über der Tiefsee schwebten, ließen sie den Spiegel fallen. Funkensprühend und Bälle aus purem Licht abstoßend sank der Spiegel in die Fluten, tausendmal schwerer als jeder Stein. Konzentrische Wellen, auf denen grelle Blitze tanzten und erst nach mehr als einer caladranischen Meile verloschen, bildeten sich dort, wo der Spiegel ins Meer geschlagen war. Blasenartige Gebilde aus bläulichem und gelblichem Licht sprudelten
an die Oberfläche und zerplatzten dort, man sah das magische Feuer noch über Stunden im Meer leuchten, als würde ein unterseeischer Vulkan sein Magma ausspeien. Aber je tiefer der Spiegel sank, desto schwächer wurden diese Erscheinungen.
    Niemand konnte in diese schier unergründliche Tiefe gelangen, um dieses magische Werkzeug zu bergen und es ein zweites Mal gegen Morygor einzusetzen, zumal sich bald ein meilendicker Eispanzer auch über diesen Teil des Ozeans bilden würde.
    Die dreizahnigen Fledertiere zogen nach Nordosten, Morygors Reich entgegen.
    »Wir waren schwach«, murmelte Sheera. »Viel zu schwach …«
    Es waren die ersten klaren Worte seit ihrem Aufbruch, und in ihrer Stimme lag die Trauer über das eigene Versagen.
    »Nein«, widersprach Torbas. »Wir hatten die nötige Stärke, um uns auf die Seite des Siegers zu schlagen.«
    Sheera schluckte. »Morygor …«
    »Nur ein Narr wie Gorian könnte daran zweifeln.«
     
    Der Stadtbaum von Pela, die Bucht, der Hafen mit den Himmelsschiffen – all das schien auf Gorian zuzurasen.
    Er fiel aus einer Höhe, die die jedes bekannten Berggipfels überstieg. Der schier ins Endlose gewachsene Turm wirkte wie ein gerader, schwankender Strich, der sich von der höchsten Astgabelung des Baumes in den Himmel emporzog, aufrecht gehalten durch Magie. Aber auch Magie würde ein derartiges Bauwerk nicht auf Dauer stützen können. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es in sich zusammenstürzen würde, zumal sein Baumeister nicht mehr existierte, um die Magie zu erneuern.

    Abgesehen davon
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