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Die Luna-Chroniken: Das mechanische Mädchen (German Edition)

Die Luna-Chroniken: Das mechanische Mädchen (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken: Das mechanische Mädchen (German Edition)
Autoren: Marissa Meyer
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»Bist du bereit für deine neue Familie?«
    Sie riss sich vom Fenster los – Schnee auf Bambuszäunen und winterlich kahlen Büschen, zwischen denen ein gedrungener Androide einen Pfad durch den Schneematsch pflügte – und sah den Mann an. Obwohl er während der zweitägigen Reise in einem Hover, einer Magnetschwebebahn, zwei Passagierschiffen und dann noch einem Hover gleichbleibend freundlich gewesen war, beunruhigte sie sein stets etwas nervöses Lächeln.
    Außerdem konnte sie sich seinen Namen einfach nicht merken.
    »Ich erinnere mich gar nicht mehr an meine alte Familie«, sagte sie und zog ihr schweres linkes Bein an sich, damit es nicht so unnatürlich abstand. Er schwieg und beschäftigte sich wieder mit dem Gerät, dessen Display sein Gesicht in ein grünliches Licht tauchte. Er war zwar noch nicht richtig alt, aber sein Blick war müde und seine Sachen waren ihm viel zu groß. Als er sie abgeholt hatte, war er glattrasiert gewesen. Jetzt brauchte er dringend eine Rasur.
    »Sind wir schon da?«
    Er nickte, ohne sie anzusehen. »Fast, Cinder.«
    Sie sah wieder auf die verschneiten Straßen hinaus. Auf schäbige einstöckige Häuser folgte ein herrschaftliches Gebäude mit roten Dachziegeln und einem zugefrorenen Brunnen in der Mitte der Einfahrt. Im nächsten Straßenzug drängten sich Reihenhäuser dicht an dicht neben einem heruntergekommenen Mietshaus, das von Hütten abgelöst wurde. Es kam ihr vor, als hätte eine große Hand all diese Gebäude willkürlich auf die Straßen geschleudert.
    Vermutlich war ihr neues Zuhause ganz anders als das, was sie zwischen den weiten Feldern Europas zurückgelassen hatte. Auch wenn sie so betäubt gewesen war, dass sie sich kaum an irgendetwas vor der Zugfahrt erinnern konnte – außer, dass es dort auch geschneit hatte. Sie hatte genug von Schnee und Eis. Die Kälte zog ihr in die Knochen und dort, wo ihr Fleisch auf die Stahlprothesen traf, tat es besonders weh.
    Der Hover schwebte langsam auf den Bürgersteig hinab, rammte einen Schneehaufen und kam abrupt zum Stehen. Cinder packte den Griff über ihrem Kopf, aber da stand der Hover bereits auf dem zusammengekehrten Schneeberg, wenn auch etwas kippelig.
    »Wir sind da«, sagte der Mann und zwinkerte ihr aufmunternd zu, als die Tür des Hovers zur Seite glitt.
    Sie rührte sich nicht von der Stelle, hielt weiterhin den Griff umklammert, begann aber sofort zu zittern, als ein eisiger Wind durch die geöffnete Tür pfiff. Sie hatten vor einer der winzigen Hütten angehalten, von der die Farbe abblätterte. Eine Hälfte der Dachrinne hatte sich unter der Last des Schnees gelockert und hing lose herab. Trotz allem war es ein gemütliches kleines Haus mit einem roten Dach und einem Grundstück, das sich Cinder trotz der verschneiten Büsche im Frühjahr als Garten vorstellen konnte.
    Der Mann zog das Handgelenk über den Scanner, um für die Hoverfahrt zu zahlen, und stieg aus. Noch bevor er den Fuß auf den eisglatten Pfad gesetzt hatte, flog die Haustür auf. Cinder sah wie hypnotisiert zu, wie zwei Mädchen in ihrem Alter die Treppe heruntersprangen und kreischend auf ihren Vater zurannten. Der Mann hockte sich aufs Eis und schloss die Mädchen in die Arme – und Cinder hörte ihn zum ersten Mal lachen.
    In der Tür erschien eine Frau in einem wattierten Hausmantel, den sie in der Taille gebunden hatte. »Mädchen, euer Vater bekommt ja gar keine Luft mehr. Er hat eine lange Reise hinter sich.«
    »Ach, diesmal müsst ihr nicht auf eure Mutter hören. Ihr könnt mich ruhig so fest umarmen wie ihr wollt.« Der Mann küsste seine Töchter auf die Scheitel, dann stand er auf und nahm sie an die Hand. »Wollt ihr eure neue Schwester kennenlernen?«, fragte er sie und drehte sich zum Hover um. »Komm Cinder, steig aus!«
    Sie fröstelte und ließ den Griff los. Dann versuchte sie, so anmutig wie möglich aus dem Hover zu steigen, aber der Bürgersteig war nicht so tief wie sie vermutet hatte und deswegen krachte sie mit dem schweren, steifen Bein auf die dünne Eisdecke. Sie schrie auf, stolperte und konnte sich gerade noch am Türrahmen des Hovers festhalten.
    Der Mann eilte ihr zu Hilfe, stützte sie und griff nach ihrer Metallhand. »Macht nichts, das ist ganz normal. Deine Muskeln sind noch schwach und es wird etwas dauern, bis sich die Verkabelung an dein Nervensystem angepasst hat.«
    Cinder schämte sich und sah vor Kälte schlotternd zu Boden. Die Ironie seiner Worte war ihr nicht entgangen, auch wenn
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