Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Titel: Die Lange Erde: Roman (German Edition)
Autoren: Terry Pratchett , Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
1
    A uf einer Waldlichtung:
    Als Schütze Percy erwachte, zwitscherten Vögel. Vogelgezwitscher hatte er lange nicht mehr gehört, dafür sorgten schon die Kanonen. Eine Zeit lang blieb er einfach liegen und genoss die köstliche Ruhe.
    Andererseits wunderte er sich ein wenig benommen darüber, warum er in feuchtem, aber würzig duftendem Gras und nicht auf seinem Bettzeug lag. Ah, wie herrlich – duftendes Gras! Dort, wo er eben noch gewesen war, hatte es nicht besonders gut geduftet. Er war eher an den Geruch von Kordit, heißem Öl, verbranntem Fleisch und den Gestank ungewaschener Männer gewöhnt.
    Er fragte sich, ob er tot war. Schließlich war es ein mörderisches Bombardement gewesen.
    Falls er wirklich tot war, dann ging das hier nach der Hölle aus Lärm und Schreien und Schlamm, die er verlassen hatte, durchaus als Himmel durch. Und wenn es nicht der Himmel war, würde ihm sein Sergeant ohnehin gleich die Hölle heißmachen. Er würde Percy hochreißen, kurz inspizieren und dann sofort zur Verpflegungsstelle schicken, damit er sich einen Tee und ein belegtes Brot geben ließ. Aber weit und breit war kein Sergeant zu sehen, und bis auf das Zwitschern der Vögel in den Bäumen war auch nichts zu hören.
    Als die Morgendämmerung den Himmel langsam heller werden ließ, fragte er sich: » Was für Bäume? «
    Da Schütze Percy ein praktisch veranlagter und vernünftiger junger Mann war, beschloss er, sich in diesem Traum keine Sorgen wegen irgendwelcher Bäume zu machen. Bäume hatten noch nie versucht, ihn umzubringen. Er legte sich wieder auf den Rücken und musste wohl ein wenig eingenickt sein, denn als er die Augen wieder aufschlug, war es helllichter Tag. Er hatte Durst.
    Tageslicht – aber wo? Na ja, wahrscheinlich in Frankreich. Es musste Frankreich sein. Percy konnte von der Granate, die ihn ausgeknipst hatte, nicht sehr weit weggeschleudert worden sein. Es musste sich immer noch um Frankreich handeln, aber er lag mitten im Wald, wo überhaupt kein Wald sein durfte. Außerdem fehlten die üblichen Frankreichgeräusche, also das Donnern der Geschütze und das Schreien der Männer.
    Die ganze Sache war ihm schlichtweg ein Rätsel. Außerdem war er halb am Verdursten.
    Also packte er inmitten dieser ätherischen, von Vögeln heimgesuchten Stille alle seine Sorgen in das, was von seinem alten Tornister noch übrig war, und dachte sich, dass in dem Lied vom Tornister und den Sorgen wohl ein wahrer Kern steckte: Warum sollte man sich groß Sorgen machen? Es war tatsächlich alles sinnlos, jedenfalls spätestens dann, wenn man mit ansehen musste, wie sich links und rechts von einem Männer in nichts auflösten wie Tau am Morgen.
    Aber als er sich erhob, spürte er das vertraute Ziehen im linken Bein bis in den Knochen hinein. Es war das Überbleibsel einer Wunde, die nicht ausgereicht hatte, um ihn nach Hause zu schicken, ihm aber wenigstens zu einer Versetzung zu den Jungs von der Tarnung und zu einem verbeulten Farbenkasten im Tornister verholfen hatte. Wenn sein Bein immer noch wehtat, dann war das hier kein Traum! Aber er befand sich nicht mehr dort, wo er zuvor gewesen war, so viel war sicher.
    Als er so zwischen den Bäumen hindurchging, dorthin, wo weniger Bäume zu stehen schienen als überall sonst, schoss ihm ein flirrender, eiskalter Gedanke durch den Kopf: Warum haben wir gesungen? Sind wir verrückt gewesen? Was zum Teufel haben wir uns eigentlich dabei gedacht? Überall lagen Arme und Beine herum, verwandelten sich Männer in einen Nebel aus Fleisch und Knochen! Und wir haben gesungen!
    Was sind wir doch für elende, hirnverbrannte Idioten gewesen!
    Eine halbe Stunde später ging Schütze Percy einen Hügel hinab zu einem Bach in einer flachen Senke. Das Wasser schmeckte ein bisschen brackig, aber in seinem Zustand hätte er auch aus einem Pferdetrog getrunken, und zwar direkt neben dem Pferd.
    Er folgte dem Bach, bis er in einen Fluss mündete, keinen sehr breiten Fluss, aber Schütze Percy war ein Junge vom Lande und wusste, dass es am Flussufer Krebse gab. Eine halbe Stunde später kochten besagte Flusskrebse fröhlich vor sich hin. Die Viecher waren größer als alle Flusskrebse, die er je gesehen hatte! Und es gab unglaublich viele davon! Und wie saftig sie waren! Er schlemmte, bis ihm der Bauch wehtat, drehte seinen Fang an einem grünen Stock über einem eilig entfachten Feuer und riss die Krebse mit bloßen Händen auseinander. Vielleicht bin ich wirklich tot, dachte er jetzt, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher