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Die Epidemie - Teil 1

Die Epidemie - Teil 1

Titel: Die Epidemie - Teil 1
Autoren: Alexander Fleming
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Tag 1 - Genesis
    F rüher habe ich mich oft über Menschen lustig gemacht, die Selbstgespräche führen, ihre eigenen Gedanken sinnlos auf ein Blatt Papier notieren und diese in irgendwelchen Schubladen aufbewahren oder gar Tagebücher führen. Ich war der Meinung, dies sei nur etwas für pubertierende Mädchen, die es nutzen, um mit der unbekannten Situation des Erwachsenwerdens zurechtzukommen. Alle anderen waren meiner Meinung nach Spinner, Langweiler oder einfach nur Persönlichkeiten, die nichts Besseres zu tun haben, als weißes Papier mit ihren Gedanken zu verschmutzen. Was für eine Ressourcenverschwendung!
    Dass ich mich mal selbst in solch einer Situation befinden würde, hätte ich noch vor ein paar Monaten nicht für möglich gehalten.
    Früher war ich ständig auf Achse. Mein Terminkalender erlaubte es mir nicht, mich ab und an hinzusetzen und meine Gedanken aufzuschreiben. Als karrierebewusster Bauingenieur mit hochgesteckten Zielen reiste ich von einem Bauprojekt zum anderen. Wann auch immer sich die Gelegenheit ergab, etwas Erfahrung zu sammeln und dadurch die Karriereleiter ein Stück weiter zu erklimmen, war ich immer bereit, auch größere Entfernungen in Kauf zu nehmen.
    Indien, Dubai, Kongo, Russland und sogar Australien... ich habe in meinem noch recht kurzen Leben viele Länder gesehen und die unterschiedlichsten Kulturen kennenlernen dürfen. Aber genau diesem aktiven Lebensstil habe ich auch mein Alleinsein zu verdanken. Mit meinen fünfunddreißig Jahren habe ich weder Frau noch Kinder.
    Vielleicht ist es aber auch ein Segen. Wer hat so etwas schon in dieser dunklen Zeit? Wer weniger besitzt, hat auch weniger zu verlieren. So blieb mir auch der Verlustschmerz erspart, den viele nach dem Ausbruch der Seuche erlitten hatten.
    Es ist mir kaum vorstellbar, wie furchtbar es für viele Überlebende da draußen sein musste, ihre Lieben, darunter viele Frauen und Kinder, zu verlieren. Doch am schlimmsten hat es wohl diejenigen getroffen, die an ihrer Familie selbst Hand anlegen mussten.
    Unfreiwillig natürlich.
    Doch nur sehr wenige hatten auch den Mut dazu. Die meisten entschieden sich dagegen und begingen somit regelrecht Selbstmord, indem sie sich ihren Angehörigen zum Fraß vorwarfen. Oft passierte es, weil es viele nicht übers Herz brachten, sich von ihren Familien zu trennen und sich trotz großer Gefahr weiterhin in ihrer direkten Nähe aufhielten.
    In letzter Zeit habe ich mich oft gefragt, ob das Schicksal es gut mit mir meint. Immerhin gehöre ich zu den wenigen Glücklichen auf dieser gottverlassenen Erde, die noch eine Seele in ihrem Körper tragen dürfen. Aber oft stelle ich mir auch die Frage: Warum zum Teufel ausgerechnet hier? Warum musste es genau dann passieren, als ich im Ausland war? Warum hatte die Seuche genau dann ihren Höhepunkt, als ich mich in Moskau, einer mir unbekannten Stadt, befand? Wenn es um das reine Überleben geht, so ist es womöglich vorteilhafter, sich in vertrauter Umgebung aufzuhalten.
    Ich betrachtete Deutschland immer als meine Heimat, denn meine Familie wanderte vor einer gefühlten Ewigkeit aus Kasachstan in das Vaterland unserer Vorfahren aus.
    Die Möglichkeit als Bauingenieur in Russland tätig zu sein, hatte ich wohl auch meinen sprachlichen Fähigkeiten zu verdanken. Damals in der Sowjetunion sprachen wir alle, egal ob Kasache, Afghane oder Kirgise, die gleiche Sprache und zwar Russisch.
    Nun hat das Schicksal entschieden und ich sitze hier.
    Alleine.
    Zum Glück.
    Weshalb die Welt nicht mehr so war, wie sie früher einmal gewesen ist, weiß ich nur aus den Nachrichten. In den letzten Wochen war dieses Thema überall in den Medien. Egal wohin man schaute, diskutierten die Menschen darüber, die Zeitungen schrieben über nichts anderes mehr und die Talkshows hatten immer den gleichen Inhalt.
     
     

    * * *
    A lles nahm seinen Anfang in der direkten Umgebung des früheren Atomkraftwerkes Tschernobyl.
    Zunächst wurden die Vorkommnisse durch falsche Aussagen und Lügen vertuscht, so dass weder die eigene Bevölkerung noch die Regierungen der restlichen Welt Verdacht schöpfen konnten.
    Hin und wieder hörte man von sogenannten Obdachlosen, die sich verbotenerweise in dem Sperrgebiet aufgehalten hatten. Nach Angaben des Militärs drehten diese mit der Zeit durch und griffen andere Menschen an. Die dort noch sehr stark vorherrschende Radioaktivität, die die Psyche der ohnehin schon gestörten Persönlichkeiten veränderte und diese in den Wahnsinn
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