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Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Titel: Die Lange Erde: Roman (German Edition)
Autoren: Terry Pratchett , Stephen Baxter
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Jugendliche Wechsler zusammen, allein Dutzende in der direkten Umgebung des Heims in Madison. Überall hatten die Elektronikläden einen regelrechten Ansturm erlebt. Es handelte sich um geradezu lächerlich simple elektronische Bauteile, auch die Kartoffel, die man in der Mitte einsetzen sollte, kam einem irgendwie albern vor, aber sie war wichtig, denn sie sicherte die Energieversorgung. Es gab auch einen Schalter. Der Schalter war unverzichtbar. Manche Jugendliche dachten, man bräuchte keinen Schalter. Dass es genüge, einfach nur die Drähte zusammenzuzwirbeln. Das waren diejenigen, die kurz darauf Rotz und Wasser heulten.
    Joshua hatte seinen ersten Wechsler sehr sorgfältig zusammengebaut. Er machte immer alles sehr gewissenhaft. Er war einer von den Jungen, die sämtliche Teile immer, ausnahmslos immer, vor dem Zusammenkleben bemalten und sie dann in der richtigen Reihenfolge zusammenklebten, die jedes Bauteil griffbereit hatten, ehe sie sich an die Arbeit machten. Joshua machte sich immer an die Arbeit . Es hörte sich überlegter, absichtlicher an als anfangen . Wenn er im Heim eines der alten, abgegriffenen und unvollständigen Puzzlespiele zusammensetzte, sortierte er zuallererst sämtliche Teile, trennte Himmel und Meer und den Rand, ehe er die ersten beiden Einzelteile zusammenfügte. Wenn sich das Puzzle als unvollständig herausstellte, ging er manchmal in seine kleine Werkstatt, sägte die fehlenden Stücke sorgfältig aus gesammelten Holzabfällen aus und malte sie dann passend an. Wenn man es nicht wusste, wäre man nie auf die Idee gekommen, dass dem Puzzle jemals Teile gefehlt hatten. Manchmal kochte er auch, unter der Aufsicht von Schwester Serendipity. Dann sorgte er dafür, dass rechtzeitig sämtliche Zutaten da waren, reihte sie akribisch vor sich auf und ging dann Schritt für Schritt nach dem Rezept vor. Nebenbei spülte er sogar die Sachen, die er nicht mehr brauchte, gleich ab. Er kochte gern, und die Anerkennung, die ihm dadurch im Heim entgegengebracht wurde, mochte er ebenfalls.
    So war Joshua. So erledigte er seine Sachen. Und deshalb war er auch nicht der erste Jugendliche, der einen Schritt aus der Welt machte, denn er lackierte seine Wechsel-Box nicht nur, sondern wartete auch, bis der Lack getrocknet war. Und das war gewiss auch der Grund dafür, weshalb er der Erste war, der zurückkam, ohne sich in die Hose gemacht zu haben, oder Schlimmeres.
    Wechseltag. Überall verschwanden Kinder und Jugendliche. Eltern suchten die Wohnviertel ab. Eben noch waren die Kinder da, spielten mit diesem neuen verrückten Spielzeug, und im nächsten Augenblick waren sie weg. Als sich immer mehr aufgeregte Eltern auf den Straßen begegneten, verwandelte sich die Aufregung in schiere Panik. Die Polizei wurde verständigt, aber was sollte die Polizei groß tun? Wen sollte sie festnehmen? Wo suchen?
    Dann wechselte Joshua selbst, zum ersten Mal.
    Einen Herzschlag zuvor war er noch in seiner Werkstatt im Heim gewesen. Jetzt stand er im Wald, einem dichten, endlosen Wald, durch den das Mondlicht kaum bis auf den Boden fand. Überall hörte er andere junge Leute, die sich übergaben oder nach ihren Eltern riefen, einige schrien auch so, als wären sie verletzt. Er wunderte sich über die allgemeine Verzweiflung. Er musste sich nicht übergeben. Es war irgendwie unheimlich, das schon. Aber es war eine warme Nacht – bloß wo?
    Das Geschrei ringsum lenkte ihn ab. Ein kleines Mädchen ganz in seiner Nähe schrie nach seiner Mutter. Die Kleine hörte sich wie Sarah an, die auch im Heim wohnte. Er rief ihren Namen.
    Sie hörte auf zu weinen, und er vernahm ihre Stimme dicht neben sich: »Joshua?«
    Er überlegte. Es war spät am Abend. Sarah musste sich im Mädchenschlaftrakt befunden haben, ungefähr zwanzig Meter von seiner Werkstatt entfernt. Er hatte sich nicht bewegt, aber er befand sich eindeutig an einem anderen Ort. Und zwar nicht in Madison. In Madison gab es Lärm, Autos, Flugzeuge, Lichter, wohingegen er jetzt in einem Wald stand, einem dichten Wald wie in einem Märchenbuch, und nirgendwo eine Straßenlaterne, egal in welche Richtung er schaute. Aber Sarah war auch hier, wo auch immer sie sein mochten. Der Gedanke setzte sich nach und nach zusammen, wie ein unvollständiges Puzzle. Keine Panik! Denk nach! Sie müsste ungefähr dort sein, wo sie vorher auch war, bloß eben hier. Du musst also nur den Gang zu ihrem Zimmer entlanggehen, obwohl es hier weder einen Gang noch einen Schlaftrakt gab.
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