Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Titel: Die Lange Erde: Roman (German Edition)
Autoren: Terry Pratchett , Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
Problem gelöst.
    Bis auf die Tatsache, dass er auf dem Weg zu ihr mitten durch den Baum direkt vor ihm gehen musste. Einen extrem dicken Baum.
    Er arbeitete sich um den Baum herum, kämpfte sich durch das dichte Unterholz, das Gestrüpp, die abgefallenen Äste dieses sehr verwilderten Waldes. »Rede immer weiter«, sagte er. »Aber rühr dich nicht von der Stelle. Ich komme.«
    »Joshua?«
    »Ich sag dir was. Du singst einfach. Irgendwas. So kann ich dich im Dunkeln leicht finden.« Joshua schaltete seine Taschenlampe an. Es war nur eine ganz winzige, die in eine Hosentasche passte. Er hatte nachts immer eine Taschenlampe dabei. Selbstverständlich. Er war Joshua.
    Sie sang nicht. Sie fing an zu beten. »Vater unser, der du bist im Himmel …«
    Wenn die Leute einfach nur das machen würden, was man ihnen sagte. Nur ein einziges Mal.
    Ringsumher aus dem Wald kamen andere Stimmen aus der Dunkelheit und beteten mit. »Geheiligt werde dein Name …«
    Er klatschte in die Hände und rief: »Haltet mal alle die Klappe! Ich bringe euch hier raus. Vertraut mir.« Er wusste nicht, warum sie ihm vertrauen sollten, aber sein autoritärer Ton wirkte Wunder. Die anderen Stimmen erstarben. Er holte tief Luft und rief: »Sarah. Du zuerst. Alles klar? Alle anderen gehen auf das Gebet zu. Nichts sagen, einfach nur in Richtung des Gebets gehen.«
    »Vater unser, der du bist im Himmel …«, fing Sarah wieder an.
    Während er sich mit ausgestreckten, tastenden Händen vorwärtsbewegte, sich einen Weg durch das Gestrüpp bahnte, über Wurzeln kletterte und vor jedem Schritt vorsichtig den Boden prüfte, hörte er ringsumher, wie sich andere ebenfalls in Bewegung setzten, und er hörte weitere Stimmen rufen. Einige beschwerten sich darüber, dass sie sich verlaufen hätten. Andere meckerten, weil sie keinen Handy-Empfang hatten. Manchmal sah er ein Display aufleuchten, kleine Bildschirme, die wie Glühwürmchen leuchteten. Und es gab verzweifeltes Weinen, sogar schmerzvolles Stöhnen.
    Das Gebet endete mit einem Amen, das ringsum im Wald nachhallte, und Sarah sagte: »Joshua? Ich bin fertig.«
    Und ich hab sie immer für ein intelligentes Kind gehalten, dachte Joshua. »Dann fang wieder von vorne an.«
    Es dauerte mehrere Minuten, bis er sie erreicht hatte, obwohl sie nur die halbe Länge des Heims von ihm entfernt war. Jetzt erkannte er auch, dass dieses Waldstück eigentlich gar nicht so groß war. Hinter den Bäumen sah er im Mondlicht etwas, das wie Prärieblumen aussah, wie im Arboretum. Aber keine Spur vom Heim oder von der Straße, an der es stand.
    Schließlich kam Sarah auf ihn zugetorkelt und klammerte sich an ihn. »Wo sind wir?«
    »Irgendwo anders, vermute ich. Du weißt schon. So wie Narnia.«
    Im Mondlicht sah er die Tränen, die ihr übers Gesicht liefen, und den Rotz unter ihrer Nase, und er roch das Erbrochene auf ihrem Nachthemd. »Ich bin aber in keinen Kleiderschrank reingegangen.«
    Er musste laut lachen. Sie sah ihn verdutzt an. Aber weil er lachte, lachte sie auch. Kurz darauf war die kleine Lichtung von Gelächter erfüllt, denn andere Kinder kamen auf ihn zu, auf das Licht der Taschenlampe, und einen Augenblick lang waren Angst und Schrecken vertrieben. Es war nicht lustig, wenn man einsam und verlassen irgendwo herumstand, aber wenn man sich gemeinsam mit anderen verlaufen hatte und mit ihnen lachte, sah die Sache schon ganz anders aus.
    Jemand packte ihn am Arm. »Josh?«
    »Freddie?«
    »Es war schrecklich. Ich bin im Dunkeln irgendwo runtergefallen, bis auf den Waldboden.«
    Freddie hatte eine Magen-Darm-Infektion, erinnerte sich Joshua. Er war auf der Krankenstation gewesen, im ersten Stock des Heims. Er musste durch das verschwundene Gebäude gefallen sein. »Bist du verletzt?«
    »Nein … Josh? Wie kommen wir wieder nach Hause?«
    Joshua nahm Sarah an die Hand. »Hast du dir einen Wechsler gebastelt, Sarah?«
    »Ja.«
    Er warf einen kurzen Blick auf das Häufchen zerbrochener Bauteile in ihrer Hand. Es war nicht einmal eine richtige Schachtel, nicht einmal ein Schuhkarton oder so was, ganz zu schweigen von einer Kiste, die jemand eigens zu diesem Zweck sorgfältig zusammengebaut hatte – so wie seine. »Was hast du als Schalter benutzt?«
    »Welchen Schalter? Ich habe einfach die Drähte zusammengedreht.«
    »Nicht zu fassen. Da stand doch ausdrücklich, dass man einen Mitte-Null-Schalter dranbauen soll.« Er nahm ihren Wechsler sehr vorsichtig in die Hände. Man musste bei Sarah immer sehr vorsichtig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher