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Good Girls

Titel: Good Girls
Autoren: Laura Ruby
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sehe ich mich nach was Neuem um.«
    »Wirklich?«, fragt Ash. »Dann wirst du ja doch noch vernünftig.«
    Ihr Handy blökt wie ein Schaf und sie wirft einen Blick aufs Display. »MMS«, sagt sie. Sie drückt ein paar Tasten und das Foto erscheint. »Mein kleiner Bruder in seinem Spiderman-Kostüm.«
    Ich schaue ihr über die Schulter. »Wie süß.«
    »Von wegen. Dieser Giftzwerg hat letzte Woche in eine Zimmerpflanze gepinkelt.« Ash legt das Handy auf den Rand des Waschbeckens zurück und betrachtet kopfschüttelnd ihr Spiegelbild. »Bei dir sieht das Haarspray echt gut aus, was man von mir leider nicht behaupten kann. Meine Haare sehen wie japanische Nudeln aus.«
    Ich muss lachen. »Wie japanische Nudeln mit Tintenfischgeschmack«, sage ich.
    »Du musst deinen Eltern unbedingt sagen, dass sie mit dir auch mal in ein normales Restaurant gehen sollen. Zum Beispiel zum Pizzaessen.«
    »Machen wir doch auch. Allerdings essen wir dann Vollkornpizza mit Ziegenkäse.«
    »Ziege. Bäääh!«, macht Ash.
    Meine nicht-ganz-normalen Eltern erwarten uns im Wohnzimmer mit zwei Gläsern Wein und einer Digitalkamera in der Hand. Der Wein ist für sie, die Kamera für uns. Eigentlich kann ich dieses dämliche Fotografieren nicht ausstehen. Ich brauche niemanden, der festhält, wie aus dem süßen kleinen Mädchen ein sonderbarer Teenager wird. Dad lässt sich trotzdem nicht davon abbringen und heute Abend macht es mir ausnahmsweise nichts aus. Vielleicht weil ich nicht mehr wie ich aussehe. Wir posieren auf dem antiken Kirchenstuhl vor der gelben Wand. Dad macht ein paar Schritte rückwärts und stolpert beinahe über den Wohnzimmertisch. Mom lacht und nippt an ihrem Weinglas. Sie strahlt und sieht glücklich aus. Meine Eltern lieben diesen Moment. Wenn ich mich zum Ausgehen fertig mache und noch nicht weg bin. Ich frage mich, ob sie mich vermissen werden, wenn ich aufs College gehe und nicht mehr zu Hause wohne. Außer Cat Stevens haben sie nur mich.
    »Also«, sagt Dad. »Dann schaut mal wie richtige Punkmädels aus!«
    »Dad, das heißt Punks«, korrigiere ich ihn. »Ohne Mädels.«
    »Oh, Verzeihung«, sagt er. »Seid ihr bereit? Und jetzt sagt ›Spaghetti!‹«
    Wir rufen beide ›Spaghetti!‹, meinem Dad zuliebe. Auf dem Foto haben wir schwarze Haare, bleiche Gesichter und dunkle Lippen, aber wir grinsen wie zwei fünfjährige Mädchen. Als Ash das Foto sieht, sagt sie zu mir: »Ich glaube, wir müssen noch etwas an unserer Außenwirkung arbeiten. Wir müssen uns düstere Gedanken machen.«
    »So?«, fragt Mom interessiert. »Was denn für düstere Gedanken?« Sie schreibt Krimis, aber die von der liebenswerten Sorte. Mit netten alten Damen, süßen Kätzchen und vielen selbst gebackenen Plätzchen. Ach ja, und einem Mord oder zwei. Tod durch Stricknadeln. Düstere Gedanken an sonnigen Orten.
    Ash versucht, so dämonisch wie möglich auszusehen. »Wahnsinn«, erwidert sie. »Tod und Verderben.«
    Ich versuche an etwas Düsteres zu denken, aber das Einzige, was mir einfällt, sind traurige Gedankenfetzen: über Luke und mein letztes gemeinsames Halloween mit Ash. Ich sage nichts. Wenn ich schon der Schrecken der Vampire bin, muss ich nicht alles noch schlimmer machen.
    Nach den Fotos muss ich Mom versprechen, mein Handy mitzunehmen. Sie scheint allen Ernstes zu glauben, es könnte mich beschützen: vor Autounfällen und bösen, betrunkenen Jungs, die es auf meineJungfräulichkeit abgesehen haben. Ja, ich nehme das Handy mit. Ja, ich rufe an, wenn irgendwas ist . Wir verabschieden uns und schlagen die Tür hinter uns zu. Ash fährt. Weil ich in der Grundschule eine Klasse übersprungen habe, bin ich die Einzige in unserer Stufe, die noch keinen Führerschein hat. Dazu kommt noch, dass man in New Jersey erst mit siebzehn seinen Führerschein machen darf und nicht schon mit sechzehn wie in den meisten anderen Bundesstaaten. Wenigstens lassen mich meine Eltern so lange ausgehen wie meine Freunde. Ich bin zwar sechzehn dreiviertel, aber Mom sagt, tief in meinem Inneren habe ich eine alte Seele. In letzter Zeit fühle ich mich auch so. Je näher wir dem Haus kommen, in dem Joelle wohnt, desto stärker wird das Kribbeln im Bauch. Ich drücke fest die Daumen und schicke ein stummes Stoßgebet zum Himmel: Bitte, lieber Gott, mach, dass ich mich heute Abend nicht blamiere. Lass mich ein bisschen Spaß haben.
    Es dauert eine Weile, bis wir einen Parkplatz gefunden haben. Bei Joelles Halloween-Partys ist immer die Hölle los. Seit
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