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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat
Autoren: Andrea Schacht
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ist, dass der Betrag mit Zinseszins an uns zurückfließen wird. Das ist das Geschäft einer Bank.«
    »Ich weiß, Herr Oppenheim.«
    »Wenn Sie beispielsweise die Aussicht auf eine größere zukünftige Zahlung hätten und nur die Zeit bis dahin überbrücken wollen, könnte man es in Erwägung ziehen.«
    »Ich erwarte keine Erbschaft.«
    »Dann bliebe noch die Möglichkeit, dass Sie ein Unternehmen gründen, das auf lange Sicht Gewinn erwirtschaftet.«
    Ich schnaubte leise.
    »Nein, Frau Kusan, tun Sie das nicht so einfach ab. Ich habe
Sie als pragmatische Dame kennengelernt.Was würde Sie daran stören, zu arbeiten?«
    »Nichts, Herr Oppenheim, außer dem Fehlen einer Möglichkeit. Uns Damen stehen da nicht viele Chancen offen.«
    »Das ist nicht richtig. Sehen Sie dort Frau Masters, die Gattin des Schokoladenfabrikanten? Sie hat vor ihrer Ehe eine exquisite Chocolaterie betrieben. Sebastienne Waldegg dort führt ein fotografisches Atelier, und bei wem kaufen Sie Ihre Hüte und Hauben? Putzmacherinnen, Modistinnen, Schneiderinnen sind Unternehmerinnen. Ich kenne eine Uhrmacherin, eine Goldschmiedin, eine ganze Reihe Damen, die Mädchenpensionate führen, kleine Hotels, Pensionen, Cafés, Konditoreien. Und meine Großmutter Therese hat nach dem Tod ihres Gatten jahrelang selbst das Bankhaus geführt. Höchst effizient, wie man sagt.«
    Er machte mich nachdenklich. Sehr nachdenklich.
    »Sie haben recht, Herr Oppenheim. Ich muss mir zuerst überlegen, auf welche Weise ich Geld verdienen kann, und dann um ein Darlehen ansuchen.«
    »Ich bin mir sicher, Ihnen fällt dazu etwas ein, Frau Kusan. Dann werde ich selbstverständlich bei meinem Onkel für Sie bürgen.«
    Ich lächelte ihn an und bemerkte Tante Caro, die uns mit ihren hurtigen Spatzenaugen begeistert musterte. Sie malte sich vermutlich schon den kniefälligen Heiratsantrag aus. Und ein Teufelchen gab mir den verwegenen Gedanken ein, ihre Hoffnungen auszusprechen.
    »Natürlich könnte ich auch einen vermögenden Herrn heiraten.«
    Albert Oppenheim wurde dunkelrot, und ich klappte eiligst meinen Fächer auf, um ihn sofort wieder geräuschvoll zuzuklappen.
    »Verzeihen Sie, Herr Oppenheim, ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen.«
    »Es ist ja nicht so …«

    Er stammelte doch tatsächlich, der arme Junge, und mir wurde wieder bewusst, dass er bei all seiner Geschäftstüchtigkeit noch sehr jung war.
    »Herr Oppenheim, ich glaube, Fräulein Paula Engels würde es sehr begrüßen, wenn Sie sie aus den Fängen unserer Dichterfürstin erlösen würden.«
    Ich wies mit dem Fächer unauffällig auf die hübsche junge Dame mit dem gequälten Lächeln im Gesicht hin, die von Helene von Schnorr zu Schrottenberg in Beschlag genommen wurde. Vermutlich musste sie einen der literarischen Ergüsse dieser Künstlerin über sich ergehen lassen.
    Albert Oppenheim hatte sich wieder gefangen und erlaubte sich ein leises Lachen.
    »Sie verfügen offensichtlich über geradezu hellsichtige Fähigkeiten, Frau Kusan. Oder habe ich mich so leicht verraten?«
    »Mademoiselles Fächer und Ihre Kenntnis der geheimen Sprache hat Sie verraten.«
    »Oh.«
    Er verbeugte sich geschmeidig vor mir und machte sich dann auf den Weg, seine Angebetete zu erlösen.
     
    Den ganzen Heimweg über versuchte Tante Caro aus mir herauszubekommen, worüber ich mich denn so eingehend mit dem Bankierssohn unterhalten hatte, und meine ehrliche Auskunft, dass wir ausschließlich über finanzielle Fragen gesprochen hatten, wollte sie nicht hinnehmen. Ich ließ sie ihre sentimentalen Gedanken spinnen und bot ihr, sowie wir das Haus betreten hatten, eine gute Nacht. Anschließend eilte ich nach oben, um zu schauen, ob Laura und Philipp ruhig schliefen. Sie teilten sich den großen Raum unter dem Dach, der mir tagsüber als Nähzimmer diente. Ich versuchte zwar, ganz leise zu sein, aber das Rascheln meines voluminösen Taftrocks weckte die beiden wohl auf.
    »Mama, gibt es auf dem Rhein Piraten?«
    Schlaftrunken war Philipp nie, das musste man ihm lassen. Im
Licht meiner kleinen Handlampe blitzten seine Augen wissbegierig auf, und er wühlte sich unter dem dicken Plumeau in eine sitzende Stellung.
    »Ich habe noch von keinen gehört. Wie kommst du darauf, dass es welche geben könnte?«
    »Madame Mira hat uns von den Flusspiraten vorgelesen.«
    Er deutete auf das Buch, das auf dem Schreibpult lag. Es trug die Aufschrift »Flusspiraten auf dem Mississippi« und stammte aus der Leihbücherei. Friedrich
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