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Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
Autoren: Philippa Ballantine
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Kapitel 1
Die Stille vor der Mette
    Es war gutes Wetter für einen Aufstand.
    Vielleicht war das aber nur Wunschdenken. Diakonin Sorcha Faris stieß den letzten Rauch ihrer Zigarre aus, zerdrückte die Überreste an der steinernen Brüstung und seufzte gelangweilt. Ein Aufstand war beinahe so unwahrscheinlich wie ein Angriff der Unlebenden. Aber sie musste auf beides gefasst sein; also schloss sie die Augen und ließ ihr Zentrum los.
    Unter dem grauen, verfremdenden Schleier ihrer Geistsicht rochen die Menschen, die sich unter ihr am Tor des Vermillionpalasts sammelten, lediglich nach Verzweiflung und dumpfer Resignation. Allerdings hatte sich schon eine ordentliche Menge zusammengefunden; vielleicht fünfhundert Vertriebene drängten sich auf dem schneebedeckten Platz.
    Sorcha öffnete ihre übernatürlichen Sinne, so weit sie konnte, witterte aber immer noch keine Unlebenden unter den Versammelten. Ein Graupelschauer kühlte den Zorn der Menge, die sich jetzt schutzsuchend an die südliche Mauer drückte. Die Menschen protestierten nur halbherzig gegen die Anwesenheit des Kaisers; sie wussten sehr wohl, dass er von den Prinzen eingeladen worden war, über Arkaym, ihren Kontinent, zu herrschen, aber sie brauchten jemanden, dem sie die Schuld an ihrem Elend geben konnten. Die meisten Bürger von Vermillion liebten den Kaiser, aber die Leute auf dem Platz stammten aus den Vorstädten und waren nur aus einem Grund gekommen – aus Hunger.
    Es war jedoch nichts Übernatürliches an ihnen. Seit dem Herbst hatten Pamphletisten Unzufriedenheit gesät, und jetzt trugen ihre Bemühungen Früchte. Nicht alle Prinzen waren einverstanden – sie waren selten alle mit etwas einverstanden, und immer noch lehnten einige den Kaiser ab. Es würde also vermutlich jetzt nicht viel passieren. Trotzdem – es war ihre Aufgabe, ein Auge auf Anzeichen von Aufruhr zu halten. Mehr als das: Es war ihre Berufung.
    Als sie ihr Zentrum wieder einholte, spürte sie nur kurz Orientierungslosigkeit. Für eine Novizin wäre es anstrengend gewesen, aber Sorcha war seit achtzehn Jahren Diakonin. Solch geringfügiger Einsatz ihrer Kräfte fiel ihr inzwischen so leicht wie das Atmen. Sorcha mochte keine Sensible sein, aber sie war hochrangig genug, um diese Sache abzuhaken.
    Die jüngste Besessenheitswelle in der Ziegelbrennerstraße am äußersten Rand von Vermillion hatte alle nervös gemacht, aber eine andere Gruppe Diakone hatte sich letzte Woche darum gekümmert. Wie sie vermutet hatte, waren Sergeant Gents Sorgen unbegründet gewesen. Der Palast stand weit außerhalb in einer flachen Lagune. Zu allen Seiten von Wasser umgeben, war die königliche Residenz für die Unlebenden beinahe unerreichbar: eine ausgezeichnete Planung der Vorbesitzer.
    Diese spezielle Versammlung war jetzt offiziell Sache der Kaiserlegion – sollte die doch entscheiden, wie mit dem bunt zusammengewürfelten Haufen von Protestlern am besten zu verfahren war. Sergeant Gent sah wieder einmal in jeder Ecke Geister. Nicht zum ersten Mal dachte Sorcha, dass er zumindest hätte versuchen sollen, sich den Diakonen anzuschließen – er hätte womöglich das eine oder andere dabei gelernt.
    Energisch steckte sie sich einige bronzefarbene Locken fest, die sich aus ihrem straffen Haarknoten gelöst hatten, und wollte schon ihren frostigen Platz auf der Mauer verlassen, als sie am Rand der Menge einen vertrauten Rücken bemerkte.
    Nach acht Jahren Ehe erkannte sie Kolya sofort, selbst wenn sie sein Gesicht nicht sah. Sie verstand allerdings nicht, was er dort unten tat. Er hatte ihr nicht gesagt, was er vorhatte – aber so stand es zwischen ihnen nun einmal, und zwar schon seit geraumer Weile.
    »Sergeant«, fauchte Sorcha und nahm ihren Lederhelm von der Brüstung, »macht Eure Männer bereit.« Sie eilte zur Tür und schnallte sich dabei den Helm fest.
    Kolya mochte zu den Sensiblen gehören, aber wenn er eine Sache in die Hand nahm, konnte er überraschend hartnäckig sein. Früher war das eine bewundernswerte Eigenschaft gewesen, die seine Frau inzwischen aber nur noch ärgerlich fand. Wenn er allerdings der Ansicht war, dass inmitten der Menge etwas vor sich ging, vermochte er es besser aufzuspüren als sie, die lediglich eine Aktive war.
    Sorcha führte den Zug die Treppe hinunter. Unten bedeutete sie den Männern stumm, im Turm zurückzubleiben. Musketen und Bajonette würden herzlich wenig nutzen, wenn die Unlebenden wandelten. Ganz im Gegenteil, ein Geist würde von
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