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Gleichbleibend Schoen

Gleichbleibend Schoen

Titel: Gleichbleibend Schoen
Autoren: Helen Hodgman
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Tag. Ich bin Ihre neue Nachbarin. Olive, aber nennen Sie mich Ollie. Am besten man fängt gleich so an, wie man weitermachen will, sage ich immer.«
    Ich sagte, dass ich mich freue, sie kennenzulernen.
    » Ganz meinerseits natürlich. Sie wohnen hier wohl schon länger? Ich bin neu in der Gegend. Bin vom Festland gekommen, um es in Tassie zu versuchen. War natürlich vorher schon im Urlaub hier, zusammen mit meinem verstorbenen Mann. Da ist uns die Idee gekommen.«
    Sie polierte den Rasenmäher und wickelte ein langes Kabel auf, das sie direkt hinter ihrer sonnengelben Haustür in eine Steckdose steckte. Die Maschine heulte auf und zog die Frau hinter sich her über den Rasen.
    » Ist er nicht wunderschön?«, schrillte sie mir über die Schulter zu. » So einen haben Sie bestimmt noch nie gesehen, was?«
    Da hatte sie recht. Elektrische Rasenmäher hatten sich auf der Apfelinsel noch nicht durchgesetzt. Sie beendete ihre Demonstration mit einer schwungvollen Acht um meine Füße und schaltete ihn aus.
    » Nicht schlecht, was?«
    Ich stimmte zu. Insgeheim hielt ich ihn für gefährlich. Damit war ich nicht allein. Bald lehnten die Leute am Gartenzaun der Frau und gaben gute Ratschläge. An schlechten Tagen, wenn mir jede Art Ablenkung recht war, tat ich dasselbe.
    Sie versicherte uns, ihren wohlmeinenden Nachbarn, dass sie sich der Gefahren bewusst sei: » Man muss nur ganz genau aufpassen, dass nichts im Gras herumliegt, kein Stein oder Zweig oder sonst was. Es könnte in den Motor geraten und einen Stromschlag auslösen.« Aus diesem Grund kämmte sie das erbärmliche, sonnenversengte Stoppelstück vor dem Mähen mit einem Rechen durch, den sie extra dafür angeschafft hatte.
    Sie mähte den Rasen mehrmals in der Woche und ließ ihm keine Chance zu wachsen. So viel Zeit, wie sie ihm widmete, musste sie sich genauso langweilen wie ich. Vielleicht hätten wir darüber reden und uns gemeinsam die Zeit mit Ikebanakursen oder so etwas vertreiben sollen.
    Stattdessen blieb ich hinter meinen staubigen Jalousien und schob gelegentlich zwei Plastiklamellen auseinander, um sie bei der Arbeit zu beobachten.
    » Ist doch überall dasselbe«, murmelte ich und sah zu, wie die Fensterscheibe von meinem Atem anlief. Aber stimmte das wirklich?
    Meine Nachbarin, die vernünftiger war als ich, plagte sich gnadenlos weiter. Ich kam zu dem Schluss, dass es sich um einen Fimmel von ihr handelte: ein Wettrennen mit der Natur, ein heroischer Kampf oder so was in der Art.
    *
    In den folgenden Wochen hielt ich es für meine Pflicht, täglich mit meiner Tochter an die frische Luft zu gehen. Wir gingen an den Strand zu unseresgleichen. Ich hörte genau zu, wenn meine Mitmütter sich über Gott und die Welt unterhielten. Das Baby strampelte in seinem Weidenkorb, den ein nützlicher Felsenschatten vor der Sonne schützte. Wo ich konnte, mischte ich mich höflich ein und gab sorgfältig abgewogene Kommentare von mir. Ich hatte sie vorher eingeübt. Die Gesprächsthemen bewegten sich im Kreis, eins für jeden immer wiederkehrenden Wochentag. Die meiste Zeit aber hörte ich einfach zu, wenn sie über Strickmuster und Inzest plapperten, und fühlte mich überlegen. Es verging kaum ein Tag, an dem sie nicht über irgendeinen hoffnungslos verwirrten Kretin sprachen, den man im Inland zusammen mit dem Hofhund an die Wand eines Bauernhauses gekettet gefunden hatte, ein heilloses Gen-Kuddelmuddel, und alles nur, weil die Eltern nie wegkamen. In der Stadt bereitete sich die Chorgemeinschaft des Landfrauenverbands auf das fünfzehnte Gilbert and Sullivan Festival vor.
    Das Bild von der armen gestrandeten Schildkröte wurde in meinem Kopf von dem einer Seehundkolonie überlagert, Müttern mit ihren Babys, die sich in dampfenden Haufen am Strand zusammenrotteten, während die Väter auf Nahrungssuche waren.
    Als das Seehundbild sich abnutzte, beschwor ich ein neues herauf. Auf der Linie zwischen Meer und Himmel erschien das erwartungsvoll leuchtende Kürbisgesicht von King Kong. Zwei riesige Arme streckten sich vom Horizont nach uns aus. Haarige Hände griffen übers Meer. King Kong nahm die Frauen zwischen Daumen und Zeigefinger und legte sie sich in die Handfläche. Dann ließ er die Hand ins Meer sinken und hielt die Frauen in einem sanft blubbernden Bündel unter den Wellen fest. Nur ich allein blieb am Strand zurück. Als keine Blasen mehr aufstiegen, ließ er die Frauen los. Sie sanken, sich langsam und anmutig überschlagend, hinab auf den
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