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Gleichbleibend Schoen

Gleichbleibend Schoen

Titel: Gleichbleibend Schoen
Autoren: Helen Hodgman
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Meeresboden. King Kongs Kürbisgesicht leuchtete auf mich herab, die faltigen Lederschlitze seiner Augen blinzelten glücklich. Seine Faust schloss sich um meine Taille. Er hob mich hoch, drang mit seinem spitzen, haarigen kleinen Finger in mich ein, während ich in den Wolken verschwand. Unter dem lauten Klagegesang der verlassenen Babys fuhr ich in den Himmel auf.
    Ich stellte die Strandbesuche ein.
    Ab sofort konzentrierte ich mich nicht mehr darauf, das Baby an die frische Luft zu bringen, sondern darauf, es loszuwerden. Mit Höflichkeit und gutem Benehmen konnte ich mir kleine Auszeiten erkaufen. Nett sein musste ich vor allem zur Mutter meines Mannes. Sie lebte in kinderwagengerechter Entfernung und tat nichts lieber, als auf das Baby aufzupassen. Allerdings nicht jeden Tag, das wäre nicht richtig gewesen. Aber auf zwei Tage die Woche ließ sie sich ein.
    Dienstags und donnerstags. An diesen Tagen hatte ich frei und konnte die Straße vergessen, den Strand und drei Uhr nachmittags.
    Meine Nachbarin wollte ich nicht vergessen. Ihre Besessenheit interessierte mich. Ich erfand Geschichten über sie, damit meine Freunde sie auch interessant fanden. Zusammen entwickelten wir die große Saga von Unserer Guten Frau vom Rasen.
    Ich hatte zwei Freunde. Einen für jeden Tag. Zwei Männer. Es war schwierig, Männer zu finden, die tagsüber Zeit hatten. Anständige Männer schienen von neun bis fünf zu arbeiten, mit einer Stunde Pause in der Mitte. Aber in einer Stunde kann man nicht viel anstellen. Ich zumindest nicht.
    Ben war Maler, aber er fotografierte und zeichnete auch. Er war für die Donnerstage, das Beste zum Schluss. Ben war mit Gloria verheiratet, meiner ältesten Freundin.
    Dass also ein wenig pulstreibende Heimlichtuerei nötig war, tat mir gut. Ben wurde aufregend. Eine nette Abwechslung. Ich weiß noch, wie aufgekratzt Gloria nach ihrer ersten Begegnung war. Sie trafen sich in einem Park, in der Nähe seiner Kunstakademie und der PH , an der sie Lehramt studierte. Gloria hatte auf einer Bank gesessen und Mittag gegessen, als Ben vorbeikam und sich ans andere Ende setzte. Weil er so hungrig aussah und seine Brotdose leer war, hatte sie ihm einen von den selbst gebackenen Löffelbiskuits ihrer Vermieterin angeboten.
    » Er ist anders«, erzählte sie mir. » Er hat eine Wohnung in einem der Häuser hinterm College. Sein Schlafzimmer ist mit Silberfolie ausgeschlagen wie eine Teekiste.« Damals war Gloria diejenige, die immer Glück hatte.
    Jonathan war für dienstags. Er betrieb ein Restaurant, das von denen, die etwas davon verstanden, für das beste der Insel gehalten wurde. Ich hatte dort als Kellnerin gearbeitet, abends und an den Wochenenden. Wir wurden an dem Tag Freunde, an dem er mich beiseitenahm und mich in ein Geheimnis einweihte: » Hör mal, wenn du im Gegenlicht stehst, kann jeder durch dein Kleid sehen. Es ist durchsichtig«, fügte er dann noch unnötigerweise hinzu.
    » Ich weiß«, sagte ich.
    » Na, dann ist ja gut.« Er wirkte erleichtert.
    Wir gewöhnten uns an, nach Feierabend in der leeren Bar zu trinken. Die Bar war das Beste. Dem Restaurant fehlte es an Atmosphäre – Kerzen in Flaschen oder keine Kerzen in Flaschen. Aber die Bar war nett. Sie hatte eine Marmortheke, hinter der die mit Flaschen gefüllten Glasregale bis unter die Decke reichten.
    Neben der Bar stand ein riesiger schwarzer Kühlschrank, in dem Eis und kühle Getränke aufbewahrt wurden. Noch nie hatte ich so einen exotischen Kühlschrank gesehen; ich bewunderte ihn, obwohl man jeden einzelnen Fingerabdruck auf ihm sah. Kaum jemand konnte der Versuchung widerstehen, ihn im Vorbeigehen kurz zu berühren. Wenn man genau hinschaute, erkannte man sein Gesicht in ihm.
    Das Zweitbeste am Restaurant war seine Lage unter der Erde. Man musste nur die Treppe von der Straße hinabsteigen, und schon war man in Sicherheit. In der Bar mit ihrem gedämpften Licht und den matt glänzenden Oberflächen verging die Zeit wie im Flug.
    Jonathan passte perfekt zum Restaurant, ein Stück Inventar wie der schwarze Kühlschrank. Nach Australien war er gekommen – wie er gern erzählte –, um seinen Lebensabend in der Sonne zu verbringen. Er hatte ein blasses Mondgesicht und war bei Tageslicht nur selten über der Erde anzutreffen. Sein graues Haar fiel ihm in ondulierten Wellen über die Schultern, er war ein Fremdkörper in dieser Gegend. Auf der Straße liefen ihm die kleinen Jungen nach und riefen: » Wie kriegst du die Locken hin,
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