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Gleichbleibend Schoen

Gleichbleibend Schoen

Titel: Gleichbleibend Schoen
Autoren: Helen Hodgman
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Kumpel? Mit Curly Pet?«, bis er auf seinen nach außen gedrehten Füßen die Flucht ergriff. Sein Schmollmund und der trippelnde Gang luden dazu ein, ihn als Schwuchtel zu verspotten – das schlimmste Verbrechen gegen das heilige australische Kumpeltum.
    Jonathan behauptete, früher Captain bei der britischen Armee gewesen zu sein, und verfügte über ein entsprechendes Repertoire an Abenteuergeschichten. Sie klangen, als wäre er schon beim Indischen Aufstand von 1857 dabei gewesen, aber mit den Details nahm es niemand so genau. Hauptsache, es waren gute Geschichten.
    Er behauptete auch, auf freundschaftlichem Fuß mit der Schickeria in Übersee zu stehen, was schwer zu widerlegen war, weil sich von denen nur selten jemand in unser Städtchen verirrte. Wenn aber mal welche auftauchten – meist zu dem beruflichen Zweck, die Einheimischen gegen Geld zu unterhalten –, kamen sie immer in sein Restaurant. Jonathan freute sich. Er zog sich einen Stuhl zu ihnen an den Tisch und gab Essensempfehlungen, was ihm meist Ärger mit dem Koch einbrachte, der andere Gerichte geplant hatte. Jonathan scherte das wenig; er lief einfach in die Küche, um selbst Hand anzulegen, womit er Unmut und Chaos in der Küchenmannschaft auslöste. Er wunderte sich oft über seinen hohen Personalwechsel, schrieb es dann aber dem aggressiven Wesenszug zu, den er bei allen seinen neuen Landsleuten ausmachte. Um die seltenen Besucher zu beeindrucken, spendierte er ihnen ganze Flaschen eines Weins, den er extra für solche Gelegenheiten hortete. Wie alle seine Weine war es ein australischer, Jonathan betonte aber, dass es sich in diesem Fall um einen ganz besonderen Tropfen handelte. Eventuell zuhörende Einheimische mussten den Eindruck bekommen, er fände es überraschend, dass ein australischer Wein so gut sein konnte.
    Damit machte er sich unbeliebt, was er aber nicht mitbekam.
    Jonathan konnte bei solchen Gelegenheiten nicht anders, er wollte mitfeiern. Eine Zeit lang saß er still und zufrieden am Tisch, genoss den Widerschein des Ruhms, der auf ihn abfiel, und die Gespräche, die eine Spur anspruchsvoller waren als das, was er sonst zu hören bekam.
    Früher oder später blühte er dann auf wie eine vorwitzige blasse Blume. Er riss das Gespräch an sich. Meistens erzählte er Witze. Gute Witze. Alle möglichen Witze – bis sie sich schließlich wiederholten und langweilig wurden.
    Der Zauber verflog. Die Gäste schickten sich an zu gehen. Doch, es sei wirklich nett gewesen, sie freuten sich, seine Bekanntschaft gemacht zu haben, und würden das Lokal bestimmt allen Freunden empfehlen. Jonathan hielt mit weiteren Angeboten gegen die Aufbruchsversuche an: noch eine Flasche Wein, noch etwas Käse, noch einen Kaffee, noch etwas irgendwas. Meist war es schon spätnachts. Vielleicht schreckte es die Gäste ab, dass keine Angestellten mehr da waren, jedenfalls lehnten sie die großzügigen Angebote ab.
    In den langen Pausen zwischen den Gastspielen romantischer Fremder musste sich Jonathan mit der lokalen Szene zufriedengeben. Die Leute strömten in Scharen herbei. Gut, sie waren nicht so glamourös, aber dafür kamen sie regelmäßig. Vor allem die Mittagsclique, die fast ausschließlich aus einheimischen Berühmtheiten bestand: ein paar bezaubernde Ansagerinnen von Hobarts beiden Fernsehsendern und ein Haufen Journalisten, von denen einer sogar mal für Tageszeitungen auf dem Festland geschrieben haben sollte.
    Eine eigene Gruppe bildeten die Kunsthandwerker. Sie machten einen Großteil der einheimischen Bevölkerung aus. Wenn an langen Sommertagen der Wind aus der richtigen Richtung wehte, stiegen die Geräusche der töpfernden Töpfer und webenden Weber zu einem nervtötenden Crescendo an. Nachts konnte ich nicht schlafen und versuchte mich damit zu beruhigen, dass ich still im Bett lag und nicht enden wollende Reihen hübscher, graubrauner Keramikbecher und anderer Töpferwaren zählte, die über Zäune hüpften.
    Jonathan war es, der die Krankheit diagnostizierte, an der wir beide litten. Was er sagte, überraschte mich. Ob er damals betrunken war oder nicht – es passte nicht zu seiner sonst eher harten Schale. Da stand er, psychologisch nackt, die Finger in einer Glasschüssel mit Garnelencocktail, im Neonlicht der schmierigen Küche und offenbarte sich mir. Vor dem Lokal lungerte eine betrunkene Rugbymannschaft herum. Weil wir Angst hatten, dass sie über uns herfallen würden, sobald wir nach draußen kamen, hatten wir uns in der
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