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Glasscherbenviertel - Franken Krimi

Glasscherbenviertel - Franken Krimi

Titel: Glasscherbenviertel - Franken Krimi
Autoren: Stefanie Mohr
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hervorragend, weil er immer wieder daran denken musste, wie knapp er dem Essen beim Afrikaner entronnen war.
    Nachdem er sich gestärkt hatte, griff er zum Telefonhörer, um die erforderlichen Gespräche mit der Staatsanwaltschaft und der Pressestelle zu führen, die beide auch am Wochenende einen Bereitschaftsdienst stellten, der informiert werden wollte. Dann begann er die Vermisstenanzeigen im Computer durchzusehen. Zuerst mussten sie herausbekommen, wer der Tote eigentlich war – auch wenn Hackenholt wenig Hoffnung hegte, dass jemand einen Obdachlosen vermisst gemeldet hatte. Zu dünn war deren soziales Netzwerk, und zu gerne sahen die Mitbürger weg, wenn sie einem dieser verwahrlost wirkenden und zumeist nach Alkohol stinkenden Menschen mit leerem Blick begegneten.
    Er sollte recht behalten: Zwei Stunden und rund sechzig Vermisstenanzeigen später, zunächst aus Mittelfranken, dann aus ganz Bayern, hatte er niemanden gefunden, auf den die Beschreibung des Toten passte. Es blieb Hackenholt also nichts anderes übrig, als in den Obdachlosenheimen anzurufen und nachzufragen, ob bei ihnen ein Bewohner abgängig war. Im Telefonbuch suchte er erst die Nummer für das Männerwohnheim des Sozialamts heraus und danach noch die der Heilsarmee. Gleich beim ersten Anruf erfuhr er eine Ernüchterung: Der Heimleiter brach in schallendes Gelächter aus, als Hackenholt ihn fragte, ob eines seiner Schäfchen verschwunden sei.
    »Soll das ein Witz sein? Wir haben zwanzig Übernachtungsmöglichkeiten für Männer in der Notschlafstelle. Wer hier schlafen will, steht einfach vor der Türe. Unangemeldet. Und genauso verschwindet er am Morgen wieder – ohne sich abzumelden. Manche kommen am gleichen Abend wieder, manche suchen sich in einer anderen Einrichtung einen Unterschlupf. Im Winter sind wir immer voll, im Sommer, wenn das Wetter passt, schlafen viele lieber draußen. Bei unseren stationären Männern ist das natürlich etwas anderes. Je nach Angebot wohnen die sechs Monate oder zwei Jahre hier, aber von denen ist mir nicht zu Ohren gekommen, dass einer verschwunden ist.«
    Auch die Beschreibung, die Hackenholt von dem Toten geben konnte, half nicht, da er zu Größe, Gewicht, Alter, Aussehen nur sehr vage Angaben machen konnte.
    »So kommen wir nicht weiter«, stellte der Heimleiter fest. »Hat er denn nichts Auffälliges bei sich gehabt? Einen Hut mit einer Blume? Oder vielleicht ein ungewöhnliches Rollwägelchen für seine Taschen?«
    »Nein, wir haben leider gar nichts gefunden.«
    »Das ist aber komisch. Die meisten haben immer ihre gesamte Habe bei sich.« Der Mann dachte einen Moment nach. »Und wie schaut es mit einem Schließfachschlüssel aus? Manchmal sperren sie ihre Sachen am Bahnhof ein, wenn sie draußen schlafen. Das Wetter hat in den letzten zwei, drei Tagen ja dafür gepasst.«
    Hackenholt verneinte. Auch einen Schlüssel hatte Mur in den Kleidertaschen des Toten nicht entdeckt.
    »Tja, so am Telefon kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen. Sie müssten mir schon ein Bild zeigen«, erklärte der Heimleiter abschließend.
    Hackenholt dankte ihm und legte auf. Auch bei seinem Gespräch mit dem Kapitän der Heilsarmee erging es ihm keinen Deut besser. Resigniert seufzte er, als er auflegte. Dann musste er am nächsten Tag eben den bei der Obduktion anwesenden Kriminaltechniker bitten, ein paar Bilder vom Toten zu machen, die man herumzeigen konnte. Außerdem hatte Christine Mur vielleicht schon im Wald Fingerspuren des Opfers genommen. Mit etwas Glück waren sie in der Polizeikartei gespeichert und erleichterten die Identifikation. Allerdings musste der Mann dafür früher einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten sein – und allen Vorurteilen zum Trotz waren das beileibe nicht alle Obdachlosen. Es gab genügend, die unter kriminalistischen Aspekten gesehen ein absolut unauffälliges und damit unbescholtenes Leben führten.
    Bevor Hackenholt schließlich nach Hause ging, um sich Sophies Schwärmereien über das entgangene afrikanische Essen zu stellen, rief er noch seinen Kollegen Ralph Wünnenberg an und verabredete sich mit ihm für Sonntag um halb zwölf in der Dienststelle.
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