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Glasscherbenviertel - Franken Krimi

Glasscherbenviertel - Franken Krimi

Titel: Glasscherbenviertel - Franken Krimi
Autoren: Stefanie Mohr
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Erdgeschoss stieg ihnen unverkennbarer Verwesungsgeruch in die Nase, der sich mit jedem Schritt, den sie die alte, ausgetretene Holztreppe hinaufstiegen, intensivierte. Hackenholt stöhnte innerlich auf. Der Tote lag wohl nicht erst seit gestern unentdeckt in seiner Wohnung. Andererseits genügten in der kalten Jahreszeit wegen der eingeschalteten Heizung schon wenige Tage, um den Verwesungsprozess stark voranzutreiben.
    Die Räume lagen in der Mansarde. Auf dem handgeschriebenen Klingelschild entzifferte der Hauptkommissar den Namen »Bülent Alkan«. Die Wohnungstür stand offen, wahrscheinlich, um den mörderischen Gestank wenigstens etwas abziehen zu lassen. Der Streifenkollege, der am Eingang Wache hielt, sah ziemlich blass um die Nase aus. Hackenholt konnte es ihm nicht verdenken. Als sie hineingehen wollten, kamen ihnen die beiden Beamten vom Dauerdienst entgegen, die sie angefordert hatten.
    »Wir wissen noch nicht, ob der Tote der Mieter ist«, berichtete eine junge blonde Kriminalobermeisterin mit Pferdeschwanz. »Die Leiche ist stark entstellt. Von den Nachbarn haben wir allerdings erfahren, dass Herr Alkan allein gelebt hat. Es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass er es ist.« Sie machte eine kurze Pause, bevor sie fortfuhr: »Vielleicht könnt ihr ja die Identität feststellen, wenn der Rechtsmediziner eintrifft. Dr. Puellen hat Dienst.«
    »Was ist eigentlich passiert?«, wollte Stellfeldt wissen.
    »Es scheint einen Kampf gegeben zu haben: Blutflecken, wo man nur hinschaut. Außerdem ist die Wohnung völlig verwüstet, zum Teil wurden sogar die Möbel umgeworfen. Eine Tatwaffe haben wir auf den ersten Blick zwar nicht entdeckt, aber wir wollten auch nichts durchsuchen, bevor die Spurensicherung mit ihrer Arbeit fertig ist.«
    »Wer hat die Kollegen von der PI West verständigt?«, fragte Hackenholt den jungen Beamten vom Dauerdienst, der bislang geschwiegen hatte.
    »Eine Nachbarin aus dem zweiten Stock. Wegen dem Geruch. Allerdings konnte sie keine Angaben machen, wann sie Herrn Alkan zum letzten Mal gesehen hat. Vielleicht ist er noch gar nicht so lange tot, wie man zunächst vermuten würde. In den Räumen war es sehr warm.«
    Hackenholt zog besorgt die Augenbrauen hoch.
    »Keine Bange. Nach unserer Ankunft haben wir als Erstes an mehreren Stellen im Zimmer, in dem der Tote liegt, die Temperatur gemessen. Und Christine Mur hat die Prozedur sogar in allen anderen Räumen noch einmal wiederholt. Erst danach haben wir uns getraut, die Wohnungstür offen stehen zu lassen, damit zumindest ein bisschen Luft reinkommt.«
    In dem Augenblick erschien die soeben erwähnte Kollegin höchstpersönlich in der Diele. »Dann habe ich also richtig gehört.« Mur trat zu dem Grüppchen und sah sich suchend um. »Wo habt ihr Ralph und Saskia gelassen?«
    »Ralph ist zu Hause, weil sich der Heizungsableser angesagt hat«, murmelte Hackenholt. Das war auch der eigentliche Grund gewesen, warum er, nachdem der Notartermin geplatzt war, auf seinen freien Tag verzichtet hatte: Das Kommissariat wäre sonst gnadenlos unterbesetzt gewesen. Andersherum ärgerte er sich über seine Gutmütigkeit. Sophie hätte es mit Sicherheit gutgetan, wenn sie heute zusammen etwas Schönes unternommen hätten. Er verbannte die Gedanken und zwang sich ins Jetzt zurück. »Können wir rein?«
    Mur nickte, bevor sie sich abwandte, um ihnen die erforderliche Schutzkleidung zu holen.
    Die Wohnung war nicht sonderlich groß, Hackenholt schätzte sie auf vielleicht fünfzig Quadratmeter. Sie traten in einen schmalen, länglichen Flur, von dem die einzelnen Zimmer abgingen.
    Schon in der Diele sah es chaotisch aus: Die Türen eines Garderobenschranks hingen schief in den Angeln, der Inhalt war achtlos auf den Boden geworfen worden. Je weiter der Hauptkommissar in die Wohnung vordrang, desto intensiver wurde der Gestank, den der dünne Zellstoff des Mund- und Nasenschutzes keine Sekunde lang abhielt und der einen Brechreiz auslöste.
    Der Tote lag im Wohnzimmer vor einem umgekippten Couchtisch auf dem Boden. Hackenholt warf nur einen schnellen Blick auf die Leiche, dann drehte er sich weg. Der kurze Moment hatte ihm genügt, um sich das Bild des bereits stark verfärbten Körpers einzuprägen: den geöffneten Mund, die leeren Augenhöhlen, die Fliegen und Maden und die angetrocknete Pfütze, die sich im Verlauf des Zersetzungsprozesses auf dem Linoleumbelag am Fußboden gebildet hatte.
    Der Hauptkommissar richtete seine Aufmerksamkeit auf das
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