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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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zu stürzen und es zu zermalmen; aber er drängte den brutalen Wunsch zurück und unterdrückte ihn vermöge der Kraft, die ihn so furchtbar machte. Er nahm einen liebenswürdigen Ausdruck, den Ton diensteifriger Höflichkeit an, an den er sich gewöhnt hatte, seit er die Rolle eines höheren Geistlichen spielte, und grüßte den kleinen Greisen. »Herr Corentin,« sagte er, »verdanke ich dem Zufall das Vergnügen, Ihnen zu begegnen, oder wäre ich glücklich genug, der Gegenstand Ihres Besuches in der Staatsanwaltschaft zu sein?«
    Das Staunen des Oberstaatsanwalts erreichte seinen Höhepunkt, und er konnte sich nicht enthalten, diese beiden Leute, die sich gegenüberstanden, zu mustern. Jakob Collins Bewegungen und der Ton, in dem er seine Worte sprach, deuteten auf eine Krisis, und er war neugierig, ihre Ursachen zu durchschauen. Als Corentin sich so plötzlich und wunderbar erkannt sah, richtete er sich wie eine Schlange auf, der man auf den Schwanz getreten hat.
    »Ja, ich bin es, mein lieber Abbé Carlos Herrera.« »Kommen Sie,« sagte Betrüg-den-Tod, »um zwischen mich und den Herrn Oberstaatsanwalt zu treten?... Sollte ich das Glück haben, der Gegenstand einer jener Unterhandlungen zu sein, in denen Ihre Talente glänzen? – Hier, Herr Graf,« sagte der Sträfling, indem er sich an den Oberstaatsanwalt wandte, »lesen Sie, damit Sie keine so kostbaren Minuten verlieren, wie die Ihren es sind; hier ist ein Muster meiner Ware...« Und er reichte Herrn von Granville die drei Briefe, die er aus der Tasche seines Rockes hervorzog, »Während Sie von ihnen Kenntnis nehmen, werde ich, wenn Sie es erlauben, mit diesem Herrn plaudern.«
    »Das ist viel Ehre für mich,« sagte Corentin, der sich eines Schauders nicht erwehren konnte. »Sie haben in unserm Kampf einen vollständigen Sieg erfochten,« sagte Jakob Collin. »Ich bin geschlagen worden,« fügte er leichthin und wie ein Spieler, der sein Geld verloren hat, hinzu; »aber auch Sie haben ein paar Leute auf dem Kampfplatz gelassen... Es ist ein kostspieliger Sieg...« »Ja,« erwiderte Corentin, indem er den Scherz aufgriff; »wenn Sie Ihre Königin einbüßten, so habe ich meine beiden Türme eingebüßt...« »Oh, Contenson war nur ein Bauer,« versetzte Jakob Collin spöttisch. »Dafür läßt sich Ersatz finden. Sie sind, erlauben Sie mir Ihnen diesen Lobspruch ins Gesicht zu sagen, auf Ehrenwort, ein fabelhafter Mensch!« »Nein, nein, ich neige mich vor Ihrer Überlegenheit,« erwiderte Corentin, der den Eindruck eines professionellen Spaßmachers machte, der etwa sagt: ›Du willst aufschneiden, also schneiden mir auf!‹ »Wie! Ich verfüge über alles, und Sie, Sie sind sozusagen ganz allein!...« »Oh! oh!« sagte Jakob Collin. »Und fast hätten Sie gesiegt,« sagte Corentin, indem er von dem Ausruf Notiz nahm. »Sie sind der außerordentlichste Mann, dem ich in meinem Leben begegnet bin, und ich habe viele Außerordentliche gesehen; denn die Leute, mit denen ich kämpfe, zeichnen sich alle durch ihre Verwegenheit und ihre kühnen Unternehmungen aus. Ich war zum Unglück sehr intim mit Seiner Durchlaucht dem verstorbenen Herzog von Otranto; ich habe für Ludwig XVIII, gearbeitet, als er herrschte; und als er noch verbannt war, für den Kaiser und das Direktorium... Sie haben die Konstitution Louvels, des schönsten Werkzeuges der Politik, das ich je gesehen habe; aber Sie haben zugleich auch die Geschmeidigkeit des Fürsten der Diplomaten. Und welche Hilfskräfte!... Ich konnte viele Köpfe unters Henkerbeil liefern, wenn ich die Köchin dieser armen kleinen Esther in meinen Diensten hätte... Wo finden Sie so schöne Geschöpfe, wie das Mädchen, auf das Herr von Nucingen im Glauben, es sei jene Jüdin, eine Zeitlang Jagd machte?... Ich weiß nicht, woher ich sie nehmen soll, wenn ich sie brauche.« »Herr Corentin, Herr Corentin!« erwiderte Jakob Collin, »Sie überwältigen mich... Aus Ihrem Munde könnten einem solche Lobsprüche den Kopf verdrehen...« »Sie sind verdient. Wie! Sie haben Peyrade getäuscht, er hat Sie für einen Polizeibeamten gehalten, Peyrade!... Sehen Sie, wenn Sie nicht den kleinen Dummkopf zu verteidigen gehabt hätten, hätten Sie uns durchgewalkt.« »Ah, Herr Corentin, Sie vergessen Contenson, der sich als Mulatte verkleidete... und Peyrade als Engländer. Die Schauspieler haben alle Hilfsmittel des Theaters, aber am hellen Tage, zu jeder Stunde so vollkommen sein, das können nur Sie und die Ihren...« »Nun,
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