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Lockruf des Verlangens (German Edition)

Lockruf des Verlangens (German Edition)

Titel: Lockruf des Verlangens (German Edition)
Autoren: Nalini Singh
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1
    Hawke verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich an seinen massiven Schreibtisch und maß die beiden jungen Frauen mit finsterem Blick. Maria und Sienna standen in soldatischer Haltung vor ihm – Hände hinter dem Rücken und Beine hüftbreit auseinander – , denn sie gehörten zur Truppe der SnowDancer-Wölfe, auch wenn sie im Augenblick kaum danach aussahen. Das Haar hing ihnen wirr im Gesicht, Blätter, Moos und kleine Zweige klebten an den schlammverkrusteten Strähnen; noch dazu waren die Kleider zerrissen, und es roch nach geronnenem Blut.
    Hawkes innerer Wolf bleckte die Zähne.
    »Habe ich das richtig verstanden?«, fragte er so gefährlich ruhig, dass Maria trotz der braunen Haut ganz blass wurde. »Statt an der Grenze unseres Reviers Wache zu stehen, habt ihr beide lieber euren persönlichen Machtkampf miteinander ausgetragen?«
    Sienna hielt seinem Blick stand – ein Wolf hätte das nicht gewagt. »Es war – «
    »Klappe!«, blaffte er. »Wenn du noch einmal ohne meine Erlaubnis den Mund aufmachst, sperre ich euch beide in die Krippe zu den Zweijährigen.«
    Siennas nachtschwarze Kardinalenaugen mit den weißen Sternen wurden vollkommen schwarz – ein deutliches Zeichen von Wut, aber sie presste nur die Zähne fest aufeinander. Maria war noch etwas blasser geworden. Gut so.
    »Wie alt bist du, Maria?« Die zierliche Figur der Gestaltwandlerin täuschte, als Mensch wie als Wölfin war sie äußerst kräftig und kampferprobt.
    Maria schluckte. »Zwanzig.«
    »Also kein Kind mehr.«
    Maria nickte – stumpf und schwer vom Schlamm wippten die dunklen Locken.
    »Dann erwarte ich eine Erklärung.«
    »Ich habe keine.«
    »Stimmt.« Dieser Kampf war durch nichts zu entschuldigen. »Wer hat angefangen?«
    Beide schwiegen.
    Das gefiel Hawkes Wolf. Denn ganz egal, wer angefangen hatte, beide hatten weitergemacht; gemeinsam hatten sie Wache halten sollen, gemeinsam sollten sie nun auch für ihren Ungehorsam bestraft werden – mit einer Einschränkung.
    »Stubenarrest«, sagte er zu Maria. »Sieben Tage, pro Tag eine Stunde frei. In der restlichen Zeit kein Kontakt zu anderen.« Das war eine harte Strafe – Wölfe waren Rudeltiere, Familiengeschöpfe, und Maria war eine der geselligsten Wölfinnen in der Höhle. Ihr so lange jeglichen Kontakt zu den anderen zu verbieten, machte die Schwere des Vergehens deutlich. »Wenn du noch einmal deinen Wachposten verlässt, werde ich nicht so nachsichtig sein.«
    Maria wagte einen kurzen Blick, dann schlug sie die dunkelbraunen Augen nieder, seiner Dominanz hatte sie nichts entgegenzusetzen. »Darf ich zu Lakes Einundzwanzigstem?«
    »Es bleibt dir überlassen, wie du die eine Stunde nutzt.« Ja, das war bitter. Sie würde den größten Teil vom Fest ihres Freundes verpassen, dabei war die Beziehung der beiden noch ganz frisch; aber Maria hatte genau gewusst, welche Konsequenzen ein Machtkampf mit einer Kameradin haben würde.
    Die Wölfe waren ein starkes Rudel, weil jeder dem anderen den Rücken freihielt. Weder Dummheit noch Arroganz würden das Fundament aushöhlen, das Hawke aufgebaut hatte, nachdem blutige Ereignisse ihm beide Eltern genommen und dem Rudel so zugesetzt hatten, dass mehr als ein Jahrzehnt der vollkommenen Isolation notwendig gewesen war, um sich wieder davon zu erholen.
    Nur mühsam hielt er seine Wut im Zaum und wandte sich an Sienna. »Du hattest doch ausdrücklich den Befehl, dich nicht auf körperliche Auseinandersetzungen einzulassen«, sagte er, und es klang mehr wie das Knurren eines Wolfs.
    Sienna erwiderte nichts. Das war auch nicht nötig – er spürte ihre Wut so heiß auf seiner Haut brennen wie einen Wüstensturm. Wenn sie so wie jetzt ihre wilde Seite gerade noch zurückhielt, war kaum mehr vorstellbar, dass sie vollkommen in Silentium zum Rudel gestoßen war; damals waren ihre Gefühle unter einer dicken Schicht Eis begraben gewesen, und sein Wolf hatte getobt.
    Maria trat einen Schritt vor.
    »Hast du etwas zu sagen?«, fragte er die junge Frau, die zu den Besten zählte, solange sie ihrem aufbrausenden Temperament Zügel anlegte.
    »Ich hab angefangen.« Hochrote Wangen, verspannte Schultern. »Sie hat sich nur – «
    »Nein.« Sienna klang ruhig und sehr bestimmt, sie hielt ihren Zorn mit eiserner Entschlossenheit zurück. »Es ist auch meine Schuld, ich hätte mich zurückhalten können.«
    Hawke kniff die Augen zusammen. »Lass uns allein, Maria.«
    Die Rekrutin zögerte kurz, aber sie war eine untergeordnete Wölfin,
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