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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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›Zufall‹ nannte und die meine Genossen ›das Unglück‹ nennen. Jede schlimme Handlung wird von irgendeiner Rache erreicht, so schnell sie sich ihr auch entziehe. Man mag in diesem Kampfgewebe das schönste Spiel in der Hand haben: die Vierzehn und die Quinte und die Vorhand: die Kerze fällt um, und die Karten verbrennen, oder den Spieler trifft der Schlag! ... Das ist Luciens Geschichte. Dieser Junge, dieser Engel hat nicht den Schatten eines Verbrechens begangen; er hat alles mit sich geschehen lassen, er hat alles geschehen lassen! Er war auf dem Wege, Fräulein von Grandlieu zu heiraten, zum Marquis ernannt zu werden, er hatte ein Vermögen; nun, eine Dirne vergiftet sich, sie versteckt den Erlös einer Rente, und der so mühsam errichtete Bau dieses schönen Vermögens bricht im Nu zusammen. Und wer führt den ersten Schwertstreich wider uns? Ein Mann, der von heimlichen Gemeinheiten bedeckt ist, ein Ungeheuer, das in der Welt des Geldes solche Verbrechen begangen hat (siehe ›Das Haus Nucingen‹), daß jeder Taler seines Vermögens mit den Tränen einer Familie benetzt ist: ein Nucingen, der ein gesetzlicher Jakob Collin war, nur in der Welt der Taler. Nun, Sie kennen die Geschäftsabwicklungen, die Galgenstreiche dieses Menschen genau so gut wie ich. Meine Ketten werden meine Handlungen immer brandmarken, selbst die tugendhaftesten. Wenn man der Ball zwischen zwei Schlägern, dem Bagno und der Polizei, ist, so ist das ein Leben, in dem der Triumph unablässiges Mühen bedeutet, in dem mir Ruhe unmöglich scheint. Jakob Collin, Herr von Granville, wird in diesem Augenblick mit Lucien begraben, den man eben jetzt mit Weihwasser besprengt und der nach dem Père-Lachaise aufbricht. Ich aber brauche eine Stelle, wo ich nicht leben, sondern sterben kann... Beim gegenwärtigen Stand der Dinge haben Sie, die Gerechtigkeit, sich nicht mit dem bürgerlichen und sozialen Zustand des entlassenen Sträflings befassen wollen. Wenn das Gesetz befriedigt ist, ist es die Gesellschaft noch nicht; sie bewahrt ihr Mißtrauen, und sie tut alles, um es vor sich selbst zu rechtfertigen; sie will ihm all seine Rechte zurückgeben, aber sie verbietet ihm, innerhalb eines bestimmten Kreises zu leben. Die Gesellschaft sagt zu diesem Elenden: ›Paris, den einzigen Ort, an dem du dich verbergen kannst, sollst du mitsamt seiner Bannmeile bis zu dem und dem Radius nicht bewohnen!‹...Und ferner unterstellt sie den entlassenen Sträfling der Aufsicht der Polizei. Und Sie glauben, es sei unter diesen Verhältnissen möglich, zu leben? Um zu leben, muß man arbeiten, denn mit Renten verläßt man das Bagno nicht. Sie sorgen dafür, daß der Sträfling deutlich gekennzeichnet wird, so daß man ihn wiedererkennen und einpferchen kann; und dann glauben Sie, die Bürger werden Vertrauen zu ihm haben, während die Gesellschaft, die Justiz, die Welt, die ihn umgibt, keins hat. Sie verurteilen ihn zum Hunger oder zum Verbrechen. Er findet keine Arbeit, er wird mit Notwendigkeit dazu getrieben, sein altes Gewerbe wieder aufzunehmen, und das führt ihn aufs Schafott. So habe auch ich, obwohl ich auf meinen Kampf mit dem Gesetz verzichten wollte, keinen Platz an der Sonne gefunden. Ein einziger behagt mir, der, auf dem ich mich zum Diener dieser Macht machen kann, die auf uns lastet; und als mir dieser Gedanke kam, zeigte sich rings um mich deutlich die Kraft, von der ich sprach. Drei große Familien sind in meiner Hand. Glauben Sie nicht, daß ich an ihnen eine Erpressung begehen will... Die Erpressung ist einer der feigsten Morde. Sie ist in meinen Augen ein Verbrechen, das einen größeren Schurken verlangt als der Mord. Der Mörder braucht einen wilden Mut. Ich betätige meine Meinungen; denn die Briefe, die meine Sicherheit bilden, die mir erlauben, so mit Ihnen zu reden, die mich in diesem Augenblick mit Ihnen auf gleichen Fuß stellen, mich, das Verbrechen, mit Ihnen, der Gerechtigkeit, diese Briefe stehen Ihnen zur Verfügung ... Ihr Bureaudiener kann sie in Ihrem Namen holen, sie werden ihm ausgehändigt werden ... Ich verlange nichts dafür, ich verkaufe sie nicht! Ach, Herr Oberstaatsanwalt, als ich sie auf die Seite brachte, dachte ich nicht an mich, ich dachte an die Gefahr, in der Lucien sich eines Tages befinden konnte! Wenn Sie meinem Verlangen nicht willfahren, habe ich mehr Mut, mehr Ekel vor dem Leben, als nötig ist, um mir selber eine Kugel in den Kopf zu schießen und Sie von mir zu befreien... Ich kann mit einem Paß
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