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Der gläserne Drache

Der gläserne Drache

Titel: Der gläserne Drache
Autoren: Gabriel Galen
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1.        Ein seltsamer Gast
     
     
    Die kleine Kate lag in der Nähe des Waldrands. Ein Bächlein schlängelte sich nahe am Haus vorbei, bewässerte ein paar bescheidene Felder und ließ den winzigen Hausgarten in üppigen Farben erblühen.
    Ein würziger Geruch von Kräutern mischte sich mit dem Duft der Blumen. Das Summen der Bienen aus den beiden Körben, die im Schatten der ersten Bäume standen, und das Zwitschern der Waldvögel wurde überdeckt vom Klappern eines Webstuhls, das aus dem Haus drang. Zwei weiße Ziegen meckerten in einem Gatter unweit des Hauses.
     
    Das Haus selbst, aus rohen Stämmen gezimmert, machte einen soliden Eindruck. Aber sobald man näher kam, bemerkte man die vielen Stellen, an denen das Dach immer wieder geflickt und wo Teile der schon morschen Balken durch neue Stücke ersetzt worden waren. Alles schien von liebevoller, aber nicht mit Reichtümern gesegneter Hand gepflegt.
     
    Der Reiter, der den mit weißen Bachkieseln bestreuten, sauber gekehrten Weg hinauf kam, bemerkte das alles wohl, und um seinen schmallippigen Mund zuckte ein befriedigtes Lächeln.
     
    Man musste den Hufschlag im Haus gehört haben, denn die Tür öffnete sich und ein junges Mädchen von vierzehn oder fünfzehn Jahren trat hinaus. Misstrauisch, jedoch mit Neugier in den Augen sah sie dem Reiter entgegen, der nun auf dem kleinen freien Platz vor der Kate aus dem Sattel sprang.
     
    „Ich grüße dich , kleines Fräulein!“ sagte er mit einer sonoren Stimme, die so gar nicht zu seiner langen, hageren Gestalt zu passen schien. „Sag, ist dein Vater zuhause? Ich hätte ein paar Worte mit ihm zu reden.“
     
    Das Mädchen zögerte. Sie schien sich nicht sicher, ob sie dem Fremden verraten solle, dass der Vater mit ihren beiden jüngeren Brüdern im Wald war. Im Haus war nur ihre Zwillingsschwester mit der Arbeit am Webstuhl beschäftigt.
     
    Der Fremde hatte ihr Zögern bemerkt und hob nun beruhigend die Hand. „Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, denn ich komme nicht in böser Absicht. Ich will deinem Vater nur ein Angebot machen, das ihm bestimmt gelegen kommen wird.“
     
    Seine dunklen Augen musterten unverhohlen die zarte Gestalt des Mädchens, dessen langes blondes Haar in einen dicken Zopf geflochten bis zur Mitte des Rückens niederhing. Das einfache graublaue Gewand aus kräftigem Stoff ließ ihre sanften weiblichen Formen nur erahnen. In ihren kornblumenblauen Augen waren deutlich Zweifel und Ablehnung zu erkennen.
    Mit einem etwas verächtlichen Lächeln schüttelte der Fremde den Kopf , wobei sein halblanges, glattes Haar ihm in die Augen geriet. Mit einer ärgerlichen Bewegung wischte er es zur Seite und sagte:
     
    „Sei nicht töricht, Kleine! Was wollten du und deine Schwester wohl gegen mich unternehmen, wäre ich gekommen, um euch Übles zuzufügen? Auch dein Vater wäre wohl kaum in der Lage, dich und deine Geschwister vor meinem Schwert zu schützen!
    Also lass ‘ uns hineingehen, denn es ist heiß hier draußen in der Sonne, und ich hätte nichts gegen einen kühlen Trunk einzuwenden, da ich heute schon weit geritten bin. Dann werde ich mich dort draußen auf die Bank im Schatten des Baumes setzen und warten, bis dein Vater nachhause kommt.“
     
    Er fasste Tamira bei der Schulter, drehte sie herum und schob sie vor sich her ins Haus. Ihre Schwester Anina fuhr hinter dem Webstuhl in der geräumigen Stube hoch, als sie den fremden Mann hinter Tamira eintreten sah.
    Diese hatte sich ein wenig beruhigt, denn sie sah die Argumente des Fremden ein. Was hätten sie einem Bewaffneten wohl entgegenzusetzen gehabt? So sagte sie zu Anina:
     
    „Du brauchst dich nicht zu fürchten, Schwester! Dieser Mann sagt, er sei gekommen, um mit dem Vater zu reden. Arbeite ruhig weiter, ich werde unserem Gast einen Glas kalte Milch anbieten.“
     
    Zögernd ließ sich Anina wieder am Webstuhl nieder, während Tamira aus dem Wasserbecken neben der Feuerstelle, durch das kaltes Wasser aus dem Bach floss, einen Krug mit Deckel nahm. Der Fremde hatte sich mittlerweile ohne zu fragen am Tisch niedergelassen.
    Tamira nahm einen irdenen Becher vom Bord, stellte ihn vor den Fremden hin und füllte ihn mit der kühlen Milch aus dem Krug. Dann wandte sie sich ab, setzte sich an ihr Spinnrad und fuhr mit ihrer Arbeit fort, ohne sich weiter um den fremden Gast zu kümmern.
     
    Dieser nahm einige Schlucke der frischen Ziegenmilch und begann dann, die beiden Mädchen zu beobachten.
     
    Die
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