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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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schon sagte, als Fischweib gekleidet, das Renten hat, mit Ohrringen in den Ohren und dem Kostüm einer reichen Frau aus der Markthalle; er muß nach Frau von Saint-Estève fragen. Vergessen Sie nicht das ›von‹. Und er muß sagen: ›Ich komme vom Oberstaatsanwalt; Sie wüßten schon weshalb.‹ Und auf der Stelle erhalten Sie drei versiegelte Pakete...« »Es sind das alle Briefe?« fragte Herr von Granville. »Nun, Sie sind gut! Sie haben Ihre Stellung nicht gestohlen,« sagte Jakob Collin mit einem Lächeln. »Ich sehe, Sie halten mich für imstande, Sie nur zu prüfen und Ihnen weißes Papier zu geben... Sie kennen mich nicht!« fügte er hinzu, »Ich vertraue mich Ihnen an, wie ein Sohn sich seinem Vater anvertraut.« »Man wird Sie in die Conciergerie zurückführen,« sagte der Oberstaatsanwalt, »und Sie werden dort die Entscheidung abwarten, die man über Ihr Schicksal fällen wird.« Der Oberstaatsanwalt schellte, sein Bureaudiener trat ein, und er sagte zu ihm: »Bitten Sie Herrn Garnery, wenn er da ist.«
    Außer den achtundvierzig Polizeikommissaren, die gleich achtundvierzig Vorsehungen im kleinen über Paris wachen, die Sicherheitspolizei nicht zu zählen, gibt es zwei Kommissare, die zugleich zur Polizei und zur Gerichtsbarkeit gehören; sie haben heikle Missionen auszuführen und in vielen Fällen den Untersuchungsrichter zu ersetzen. Das Bureau dieser beiden Beamten, denn die Polizeikommissare sind Beamte, heißt das Delegationsbureau, denn sie werden in der Tat jedesmal regelrecht ›delegiert‹, um entweder Haussuchungen oder Verhaftungen vorzunehmen. Diese Stellungen verlangen reife Leute von erprobter Tüchtigkeit, unbedingter Moral und absoluter Verschwiegenheit, und es ist eins der Wunder, die die Vorsehung für Paris tut, daß man stets solche Naturen findet. Die Schilderung des Palastes wäre ungenau, wenn man nicht diese ›vorbeugenden‹ Ämter, um mich so auszudrücken, erwähnte, denn sie sind die mächtigsten Helfer der Justiz. Wenn die Justiz durch die Macht der Verhältnisse ihren alten Pomp, ihren alten Reichtum eingebüßt hat, so muß man anerkennen, daß sie materiell gewonnen hat. Vor allem in Paris hat sich der Mechanismus wunderbar vervollkommnet.
    Herr von Granville hatte Herrn von Chargeboeuf, seinen Sekretär, zu Luciens Begräbnis geschickt; es galt, ihn während dieser Mission durch einen zuverlässigen Menschen zu ersetzen, und Herr Garnery war einer der beiden Delegationskommissare.
    »Herr Oberstaatsanwalt,« sagte Jakob Collin, »ich habe Ihnen bereits den Beweis gegeben, daß ich meine Ehre habe... Sie haben mich freigelassen, und ich bin zurückgekommen... Es ist bald elf Uhr... Eben ist die Totenmesse für Lucien zu Ende, der Zug bricht zum Kirchhof auf... Erlauben Sie mir, statt mich in die Conciergerie zu schicken, daß ich die Leiche dieses Kindes bis zum Père-Lachaise begleite; ich werde wiederkommen und mich im Gefängnis stellen...« »Gehen Sie,« sagte Herr von Granville mit einer Stimme nicht ohne Güte. »Ein letztes Wort, Herr Oberstaatsanwalt. Das Geld dieses Mädchens, der Geliebten Luciens, ist nicht gestohlen worden... In den wenigen Augenblicken der Freiheit, die Sie mir gewährt hatten, habe ich die Leute verhören können... Ich bin ihrer sicher, wie Sie Ihrer Delegationskommissare sicher sind. Man wird also den Erlös der von Fräulein Esther van Gobseck verkauften Rente in ihrem Zimmer finden, sobald die Siegel abgenommen werden. Die Kammerfrau hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß die Verstorbene, wie man sagt, eine Geheimniskrämerin war und sehr mißtrauisch; sie wird die Banknoten in ihrem Bett versteckt haben. Man möge das Bett sorgfältig durchsuchen, man möge es auseinandernehmen, die Matratzen, die Unterlagen aufschneiden, und man wird das Geld finden...« »Sind Sie dessen sicher?« »Ich bin der relativen Ehrlichkeit meiner Halunken sicher, sie führen mich niemals hinters Licht... Ich habe Macht über Leben und Tod, ich richte und verurteile und vollstrecke meine Wahrsprüche ohne all Ihre Formalitäten. Sie sehen ja die Wirkungen meiner Macht. Ich werde Ihnen die bei Herrn und Frau Crottat geraubten Summen wiederfinden; ich ertappe Ihnen einen der Agenten Bibi-Lupins, seinen rechten Arm, und ich werde das Geheimnis des zu Nanterre begangenen Verbrechens aufklaren... Das ist doch ein Aufgeld!... Wenn Sie mich jetzt in den Dienst der Justiz und der Polizei einstellen, so werden Sie sich nach einem Jahr zu meiner Enthüllung
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