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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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auch ferner mit um so mehr Würde, mit um so mehr Anstand behandeln, als wir immer... wilde Kanaillen bleiben werden; flüsterte er. »Ich habe Ihnen das Beispiel gegeben, indem ich Sie umarmte.«
    Corentin stand zum erstenmal in seinem Leben als der Dumme da, und er ließ sich von seinem furchtbaren Gegner die Hand schütteln. »Wenn es so ist,« sagte er, »glaube ich, liegt es in unser beider Interesse, daß wir Freunde bleiben...« »Wir werden stärker sei wenn wir jeder auf seiner Seite bleiben, aber zugleich auch gefährlicher,« fügte Jakob Collin leise hinzu. »Deshalb werden Sie mir auch erlauben, morgen ein Handgeld auf unser Geschäft zu verlangen...« »Nun,« sagte Corentin gutmütig, »Sie nehmen mir Ihre Angelegenheit aus der Hand, um sie dem Oberstaatsanwalt zu geben; Sie werden ihm Beförderung verschaffen; aber ich kann mich nicht enthalten, Ihnen zu sagen, daß Sie gut daran tun: Bibi-Lupin ist zu bekannt, er hat seine Zelt gedient; wenn Sie an seine Stelle treten, so werden Sie in dem einzigen Stand leben, der für Sie paßt; ich bin entzückt, Sie darin zu sehen... auf Ehre...« »Auf Wiedersehen in Bälde,« sagte Jakob Collin.
    Als Betrüg-den-Tod sich umwandte, sah er den Oberstaatsanwalt, den Kopf in die Hände gestützt, am Schreibtisch sitzen.
    »Wie! Sie könnten verhindern, daß die Gräfin von Sérizy wahnsinnig wird?...« fragte Herr von Granville. »In fünf Minuten,« erwiderte Jakob Collin. »Und Sie können mir alle Briefe dieser Dame ausliefern?« »Haben Sie die drei gelesen?...« »Ja,« sagte der Oberstaatsanwalt; »ich schäme mich für die; die sie geschrieben haben...« »Nun, wir sind allein: verbieten Sie jedem den Eintritt und lassen Sie uns unterhandeln,« sagte Jakob Collin. »Erlauben Sie!... Die Justiz muß vor allem tun, was ihres Amtes ist, und Herr Camusot hat Befehl, Ihre Tante zu verhaften.« »Er wird sie niemals finden,« sagte Jakob Collin. »Man wird auf dem Trödelmarkt bei einem Fräulein Paccard, das ihr Geschäft verwaltet, Haussuchung halten.« »Man wird nur Lumpen, Kostüme, Diamanten und Uniformen finden. Immerhin muß man dem Eifer Herrn Camusots ein Ziel stecken.«
    Herr von Granville schellte seinem Bureaudiener und befahl ihm, zu Herrn Camusot zu gehen und ihn auf ein paar Worte zu sich zu bitten.
    »Nun also,« sagte er dann zu Jakob Collin, »machen wir ein Ende! Ich möchte gern Ihr Rezept für die Heilung der Gräfin kennen lernen...« »Herr Oberstaatsanwalt,« sagte Jakob Collin, indem er ernst wurde, »ich bin, wie Sie wissen, wegen Fälschung zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Ich liebe meine Freiheit!... Diese Liebe hat wie jede andere Liebe ihrem Ziel genau zuwidergewirkt; denn wenn die Liebenden sich allzusehr anbeten wollen, so veruneinigen sie sich. Dadurch, daß ich ausgebrochen bin und immer wieder ergriffen wurde, habe ich sieben Jahre im Bagno zugebracht. Sie brauchen mich also nur wegen der Zusatzstrafen begnadigen zu lassen, die ich mir ›auf der Wiese‹ zugezogen habe – Verzeihung, im Bagno. In Wirklichkeit habe ich meine Strafe abgebüßt, und bis man mir irgendeine schlimme Geschichte nachweist – und das zu tun, fordere ich die Justiz und selbst Corentin heraus –, müßte ich in meine Rechte als französischer Bürger wieder eingefetzt werden. Aus Paris verbannt und der Polizeiaufsicht unterstellt, ist das wohl ein Leben? Wohin kann ich gehen? Was kann ich anfangen? Sie kennen meine Fähigkeiten. Sie haben gesehen, wie Corentin, dieses Magazin von Listen und Verrätereien, vor mir fahl wurde und meinen Talenten Gerechtigkeit widerfahren ließ ... Dieser Mensch hat mir alles geraubt! Denn er allein hat, ich weiß nicht durch welche Mittel und aus welchen Motiven, den Bau von Luciens Glück zertrümmert... Corentin und Camusot haben alles getan ...« »Klagen Sie nicht an,« sagte Herr von Granville, »kommen Sie zur Sache.« »Nun, die Sache ist die. Als ich heute nacht die eisige Hand des jungen Toten gefaßt hielt, habe ich mir selbst versprochen, auf den sinnlosen Kampf zu verzichten, den ich seit zwanzig Jahren gegen die ganze Gesellschaft führe. Sie halten mich nach dem, was ich Ihnen über meine religiösen Anschauungen gesagt habe, nicht für imstande, Kapuzinerreden zu halten ... Nun, ich habe seit zwanzig Jahren die Gesellschaft von ihrer Rückseite aus gesehen, in ihren Kellern, und ich habe erkannt, daß es im Gang der Dinge eine Macht gibt, die Sie ›die Vorsehung‹ nennen, die ich den
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