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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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stärker bist als ich? Dich könnte ich mit einem Fußtritt töten, aber mit den Gendarmen und dem Militär werde ich nicht fertig. Laß uns keinen Lärm machen; wohin willst du mich führen?« »Zu Herrn Camusot.« »Laß uns zu Herrn Camusot gehen,« erwiderte Jakob Collin. »Weshalb sollten wir nicht gleich zum Oberstaatsanwalt gehen? ... Das ist näher,« fügte er hinzu.
    Bibi-Lupin, der wußte, daß er in den oberen Regionen der Gerichtsbarkeit in Ungnade war und beargwöhnt wurde, auf Kosten der Verbrecher und ihrer Opfer reich geworden zu sein, war keineswegs traurig darüber, daß er sich mit einem solchen Fang bei der Staatsanwaltschaft zeigen konnte. »Laß uns hingehen,« sagte er, »das paßt mir gerade! Aber da du dich ergibst, so laß mich dich fesseln; ich fürchte deine Ohrfeigen!« Und er zog die Handschellen aus der Tasche. Jakob Collin hielt seine Hände hin, und Bibi-Lupin legte ihm die Schellen an. »Ah, da du so gemütlich bist,« fuhr er fort, »so sag mir doch, wie du aus der Conciergerie gekommen bist?« »Genau, wie du herauskamst, über die kleine Treppe.« »Du hast also den Gendarmen einen neuen Streich gespielt?« »Nein, Herr von Granville hat mich auf mein Ehrenwort freigelassen.« »Scherzest du?« »Du wirst ja sehen!... Vielleicht wird man dir die Handschellen anlegen.«
    In eben diesem Augenblick sagte Corentin zum Oberstaatsanwalt: »Nun, Herr Graf, es ist jetzt genau eine Stunde her, seit unser Mann ging; fürchten Sie nicht, daß er sich über Sie lustig gemacht hat? Er ist vielleicht auf dem Wege nach Spanien, wo wir ihn nicht wiederfinden werden, denn sein Spanien ist ein Märchenland.« »Entweder verstehe ich mich nicht auf Menschen, oder er kommt zurück,» all seine Interessen zwingen ihn dazu,» er hat mehr von mir zu erhalten, als er mir gibt ...«
    Da trat Bibi-Lupin ein. »Herr Graf,« sagte er, »ich habe Ihnen eine gute Nachricht zu bringen: Jakob Collin, der entsprungen war, ist wieder ergriffen.« »So«, rief Jakob Collin dem Oberstaatsanwalt zu, »halten Sie Ihr Wort! Fragen Sie Ihren doppelgesichtigen Agenten, wo er mich gefunden hat.« »Wo?« fragte der Oberstaatsanwalt, »Ein paar Schritte von hier, unter dem Gewölbe,« erwiderte Bibi-Lupin. Nehmen Sie diesem Menschen Ihre Bindfäden ab,« sagte Herr von Granville streng. »Merken Sie sich, daß Sie diesen Mann, bis man Ihnen von neuem befiehlt, ihn festzunehmen, in Ruhe zu lassen haben ... Und gehen Sie hinaus! ... Sie gewöhnen sich an, zu handeln und einzuschreiten, als wären Sie allein Rechtsprechung und Polizei.« Und der Oberstaatsanwalt wandte dem Chef der Sicherheitspolizei den Rücken; Bibi-Lupin wurde fahl, als er obendrein noch einen Blick Jakob Collins auffing, in dem er seinen Sturz las.
    »Ich habe mein Zimmer nicht verlassen, ich wartete auf Sie, und Sie zweifeln nicht daran, daß ich mein Wort gehalten habe, wie Sie Ihres hielten,« sagte Herr von Granville zu Jakob Collin. »Im ersten Augenblick habe ich gezweifelt, Herr Graf, und vielleicht hätten Sie an meiner Stelle gedacht wie ich; aber die Überlegung hat mir schon gezeigt, daß ich ungerecht war. Ich bringe Ihnen mehr, als Sie mir geben, Sie hatten kein Interesse daran, mich zu täuschen ...«
    Der Richter tauschte einen kurzen Blick mit Corentin. Dieser Blick, der Betrüg-den-Tod nicht entgehen konnte, da seine ganze Aufmerksamkeit auf Herrn von Granville gerichtet war, zeigte ihm den kleinen wunderlichen Alten, der in einer Ecke auf einem Sessel saß. Jakob Collin wurde sofort von jenem so lebhaften und schnellen Instinkt gewarnt, der die Anwesenheit eines Feindes verrät, und musterte diese Persönlichkeit; er sah auf den ersten Blick, daß die Augen nicht so alt waren, wie das Kostüm glauben machen wollte, und so erkannte er die Verkleidung. In einer Sekunde nahm er Revanche an Corentin für die schnelle Beobachtung, mit der der Spion ihn bei Peyrade demaskiert hatte.
    »Wir sind nicht allein!...« sagte Jakob Collin zu Herrn von Granville. »Nein,« erwiderte der Oberstaatsanwalt trocken. »Und der Herr«, fuhr der Sträfling fort, »ist einer meiner besten Bekanntschaften ... glaube ich!...« Er tat einen Schritt und erkannte Corentin, den wirklichen, eingestandenen Urheber von Luciens Sturz. Jakob Collin, dessen Gesicht ziegelrot war, wurde für einen raschen, unmerklichen Augenblick blaß, ja fast weiß; sein ganzes Blut drang ihm zum Herzen; so glühend und wahnsinnig war sein Verlangen, sich auf dieses gefährliche Tier
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