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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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hunderttausend für ihn auf die Seite gebracht haben, Ruffard und La Pouraille, daß die Gonore das für sie gerettet hat! ... Prudentia und Paccard haben bei der Gonore zu arbeiten, du und Ginetta, die mir ein schlaues Ding zu sein scheint, ihr werdet das bei Godets Schwester besorgen. Zu meinem Debüt als Komiker lasse ich den Storch von dem Raub bei den Crottats vierhunderttausend Franken nebst den Schuldigen wiederfinden. Dem Anschein nach kläre ich auch den Mord in Nanterre auf. Wir haben unsern Kies wieder und sitzen im Herzen der Polizei! Wir waren das Wild, und wir werden die Jäger, das ist alles. Gib dem Kutscher drei Franken.«
    Der Fiaker hielt vor dem Palast. Jakobine bezahlte verblüfft. Betrüg-den-Tod stieg die Treppe hinauf, um zum Oberstaatsanwalt zu gehen.
    Ein vollständiger Wechsel im Lebenswandel bedeutet einen so gewaltsamen Umschlag, daß Jakob Collin, trotz seiner Entschlossenheit, die Stufen der Treppe, die von der Rue de la Barillerie zur Händlergalerie hinaufführt, wo sich im Säulenhof des Schwurgerichts der düstere Eingang zur Staatsanwaltschaft befindet, nur langsam emporstieg. Ein politischer Prozeß verursachte am Fuß der Doppeltreppe, die ins Schwurgericht führt, ein gewisses Gedränge, so daß der Sträfling, der in seine Gedanken versunken war, dort von der Menge eine Weile aufgehalten wurde. Links von dieser Doppeltreppe steht ein ungeheurer Pfeiler einer Strebemauer des Palastes, und in diesem Mauermassiv bemerkt man eine kleine Tür. Diese kleine Tür führt zu einer Wendeltreppe, die die Verbindung mit der Conciergerie herstellt. Sie darf benutzt werden von dem Oberstaatsanwalt, dem Direktor der Conciergerie, den Vorsitzenden der Schwurgerichte, den Staatsanwälten und dem Chef der Sicherheitspolizei. Durch eine heute vermauerte Abzweigung dieser Treppe wurde Marie Antoinette, die Königin von Frankreich, vor das Revolutionstribunal geführt, das, wie man weiß, im großen Saal der Prunksitzungen des Kassationshofes tagte. Beim Anblick dieser grauenhaften Treppe krampft sich einem das Herz zusammen, wenn man bedenkt, daß die Tochter Maria Theresias, die mit Gefolge, Frisur und Reifrock die große Treppe von Versailles ausfüllte, dort durch mußte! ... Vielleicht sühnte sie das Verbrechen ihrer Mutter, die scheußliche Teilung Polens. Offenbar denken die Herrscher, die solche Verbrechen begehen, nicht an das Lösegeld, das die Vorsehung dafür verlangt.
    In dem Augenblick, als Jakob Collin unter das Gewölbe der Treppe trat, um sich zum Oberstaatsanwalt zu begeben, kam Bibi-Lupin aus dieser in der Mauer verborgenen Tür.
    Der Chef der Sicherheitspolizei kam aus der Conciergerie, um gleichfalls zu Herrn von Granville zu gehen. Man kann sich vorstellen, wie groß Bibi-Lupins Staunen war, als er den Rock Carlos Herreras vor sich erkannte, den er erst am Morgen so genau studiert hatte; er lief, um an ihm vorbeizukommen; Jakob Collin drehte sich um. Die beiden Feinde standen sich gegenüber. Beide blieben auf der Stelle stehen, und der gleiche Blick sprang aus den so verschiedenen Augen hervor, wie wenn in einem Duell zwei Pistolen im gleichen Augenblick losgehen.
    »Diesmal habe ich dich, du Räuber!« sagte der Chef des Sicherheitsdienstes. »Aha!...« erwiderte Jakob Collin mit ironischer Miene. Er überlegte sich rasch, daß Herr von Granville ihn hätte verfolgen lassen; und seltsam! es machte ihm Schmerz, diesen Mann weniger groß zu finden, als er ihn sich vorstellte.
    Bibi-Lupin sprang Jakob Collin mutig an die Kehle; der aber versetzte ihm, das Auge auf den Gegner gerichtet, einen scharfen Stoß und schleuderte ihn, alle viere in der Luft, drei Schritt entfernt zu Boden. Dann ging Betrüg-den-Tod ruhig auf Bibi-Lupin zu und hielt ihm die Hand hin, um ihm beim Aufstehen zu helfen; genau wie ein englischer Boxer, der, seiner Kraftgewiß, nichts lieber wünscht, als von vorn zu beginnen ... Bibi-Lupin war viel zu gewandt, um zu schreien; er sprang auf, lief an den Eingang des Ganges und winkte einem Gendarmen, sich dort aufzustellen. Dann kehrte er mit der Geschwindigkeit des Blitzes zu seinem Feinde zurück, der ihm ruhig zusah. Jakob Collin hatte seinen Entschluß gefaßt: ›Entweder hat mir der Oberstaatsanwalt sein Wort gebrochen, oder er hat Bibi-Lupin nicht ins Vertrauen gezogen, und dann gilt es, meine Stellung aufzuklären.‹ »Willst du mich verhaften?« fragte er seinen Feind. »Sag es ohne lange Umschweife. Weiß ich nicht, daß du im Herzen des Storches
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