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Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)

Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)

Titel: Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)
Autoren: Jim C. Hines
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Kapitel 1
    Der Plan war so simpel gewesen! Ungefähr eine Stunde vor Sonnenaufgang würden Schneewittchen und Talia sich ins Gasthaus »Zum Seemannsgebein« schleichen. Talia würde den Wirt »überreden«, ihnen zu sagen, in welchem Zimmer sich die beiden flüchtigen Hexenjäger aufhielten, die vor Kurzem heimlich nach Lorindar eingereist waren. Schnee würde einen Schlafzauber über ihre Beute verhängen, welche sodann in den Whiteshore-Palast gebracht werden könnte, um ihrem Prozess entgegenzusehen.
    Der Kosmos kooperierte aber selten mit Schnees Plänen. Sie hätte inzwischen eigentlich auf halbem Wege zurück zum Palast sein und nicht auf das scharfkantige Ende eines Pfeils mit Silberspitze blicken sollen, der auf der Kerbe des Langbogens eines Mannes lag, von dem man wusste, dass wenigstens sechzehn Hexenmorde auf sein Konto gingen, während im Obergeschoss des Gasthauses Feuer um sich griff.
    Es verstand sich von selbst, dass das alles ganz allein Talias Schuld war.
    Schnees Möchtegerngefangener hörte auf den Namen Hänsel. Er war mittleren Alters und gebaut wie ein Bär, mit zottigen blonden Locken, die ihm bis knapp unter die Schultern hingen. Er trug schwere Felle über einem dicken, messingbeschlagenen Lederwams. Haarzöpfe baumelten an seinem Gürtel: Trophäen seiner Abschüsse.
    Hänsel stieß seinen Bogen in Schnees Richtung. »Ruf deine Hexenfreundin! Sag ihr, sie soll meine Schwester zurückbringen!«
    »Talia ist keine Hexe.« Auf der Suche nach irgendetwas, was sie als Waffe benutzen könnte, ließ Schnee ihre Blicke durch die leere Schenke schweifen. Die Bewohner waren ziemlich genau zu dem Zeitpunkt hinaus in die Kälte geflohen, als Schnee Hänsel die Treppe hinunterbefördert hatte. Seine Schwester war aufs Dach entkommen, dicht gefolgt von Talia. »Außerdem hört sie sowieso nie auf mich. Wenn es dir nichts ausmachen würde, diesen Bogen herunterzunehmen, dann könnten wir uns in den Palast begeben, um auf sie zu warten.«
    »Nein, danke«, sagte er mit einer Miene, die halb höhnische Grimasse, halb Lächeln war. »Ich habe Besseres zu tun, als mich von eurem hexenfreundlichen Königspärchen hinrichten zu lassen.«
    Er ging um einen zerbrochenen Tisch herum und zuckte zusammen, als er sein rechtes Bein belastete. Blut verdunkelte den Bereich um die angespitzte Stahlschneeflocke, die in seinem Oberschenkel steckte. Hänsel hatte irgendeine Art von Schutz gegen ihren Zauber, aber nichtmagische Waffen funktionierten prima. Hätte sie besser gezielt, hätte sie die Angelegenheit vermutlich oben auf der Treppe zu Ende bringen können. Andererseits hätte Talia sie dann nie vergessen lassen, wie rohe Gewalt triumphiert hatte, wo Zauberei versagte.
    Wenigstens würde sie sich, wenn Hänsel sie tötete, keine Gedanken mehr über Talias Sticheleien machen müssen. Schnee wusste, dass der einzige Grund, weshalb er noch nicht geschossen hatte, der war, dass er sie vielleicht noch brauchte, um mit Talia über die Rückgabe seiner Schwester zu verhandeln. Aber sie hatte keine Ahnung, wie lange er warten würde. Er schien ihr keiner von der geduldigen Sorte zu sein.
    »Nimm das Halsband ab, das du da anhast!«, befahl Hänsel. »Langsam.«
    Schnee berührte den hinteren Teil des engen Halsbands. Golddrähte lösten sich voneinander, und das Halsband fiel in ihre Hand; die kleinen ovalen Spiegel daran klimperten. Sie warf einen Blick in den größten davon und suchte nach Talia, aber draußen war es dunkel, und Talia bewegte sich zu schnell, als dass Schnee irgendwelche Einzelheiten hätte erkennen können. Sie konzentrierte sich und hielt den Faden zwischen ihrem Halsband und dem Spiegelarmband, das Talia trug, aufrecht. Wenn schon sonst nichts, so müsste Talia wenigstens ihre Unterhaltung hören und wissen, was geschehen war.
    »Wirf es auf den Boden!«
    Schnee gehorchte und warf das Halsband so, dass es vor seinen Füßen landete. Sie bewegte sich zur Seite und brachte damit einen anderen Tisch zwischen sich und Hänsel. Der Hexenjäger stand so, dass er sowohl Schnee als auch die Tür im Auge hatte, und man munkelte, dass er gut genug mit diesem Bogen war, um ihr einen Pfeil durchs Knie zu schießen, falls sie versuchen sollte, zur Treppe zu kommen.
    Draußen wurden Schreie laut: Die Nachbarn organisierten sich, um das Feuer zu bekämpfen und an der Ausbreitung zu hindern. Die Flammen hatten das obere Ende der Treppe erreicht, Rauch verdunkelte die Decke. »Das war ein interessanter Talisman, den
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