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Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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der Fernblickklinik nachschauen. Immerhin wurden ja mehrere
Patienten vergiftet«, lenkte der Chefarzt nun ab. »Zeugen haben einen Wagen
dieser Klinik unmittelbar nach dem Anliefern der Pilze …«
    »Die Fernblickklinik deines alten Freundes Walger!«, höhnte
Reinstetter. »Der sitzt doch auf genauso einem hohen Ross wie du. Auch einer,
der zur Not über Leichen gehen würde. Auch einer, der in seiner Bad Dürrheimer
Zeit vor Hochmut triefte.«
    Professor Krieg widersprach nicht. Er wartete einfach nur ab, wie
gut Hermann Reinstetter wirklich informiert war.
    Sehr gut, wie sich zeigte. »Nein, du wolltest ihm etwas in die
Schuhe schieben, weil du noch eine Rechnung mit ihm offen hattest. Oder aus
Neid! Aber du allein bist der Verantwortliche. Du hast Dietrich umgebracht! Die
hohe Giftdosis in seinem Körper hat mir die Gewissheit gegeben.«
    Krieg gab sich ahnungslos. »Warum sollte ich das tun?« Er nestelte
an seiner Krawatte. »Du hast völlig recht: Ich hatte nichts gegen ihn.
Abgesehen davon wäre er an seinem Lungenempyhsem ohnehin in wenigen Monaten
verstorben. Oder willst du das etwa bestreiten?«
    Reinstetter schüttelte den Kopf. »Nein, diese Diagnose stimmte
ausnahmsweise – sie war ja auch schon in einer anderen Klinik gestellt worden,
nicht hier. Aber du hast herausbekommen, dass Dietrich einen Termin im
Heidelberger Transplantationszentrum hatte. Es ging um eine Leberteilspende,
für mich! Seine Lunge mochte todkrank sein, die Leber war noch funktionsfähig.
Und du weißt auch, dass die Leberteilspende unter Geschwistern besonders
erfolgversprechend ist. Dietrich wollte, dass wenigstens ich weiterleben kann.«
    Krieg schaute mit einer geballten ärztlichen Hybris auf den
zunehmend wütender und damit kurzatmiger werdenden Gesprächspartner, als würde
ihn das alles gar nicht weiter betreffen.
    »In drei Wochen wäre der Termin für die Spende gewesen. Dietrichs
Zustand sollte hier stabilisiert werden. Dass dafür die Tannenklinik ausgewählt
wurde, darauf hatte ich keinen Einfluss. Ich war womöglich auch etwas zu naiv,
habe dir so etwas dann doch nicht zugetraut. Aber du hast nicht davor
zurückgeschreckt, ihn umzubringen! «
    Vielleicht wurde es nun doch allmählich Zeit für einen Polizeianruf.
    »Du hast von meiner Leberzirrhose erfahren. Spätstadium. Du
wusstest, dass eine solche Spende für mich lebensnotwendig war.«
    »Jetzt, wo du hier vor mir stehst, muss ich dir sagen: Man sieht es
auch«, sagte Krieg abfällig. »Gelbliche Gesichtsfarbe plus Aszites – das
klassische Exemplar eines Wasserbauchs.«
    Reinstetter ließ sich nicht beirren. »Du wusstest außerdem, dass
eine massive Überdosierung von Knollenblätterpilzen die Leber und die Niere
zersetzen kann!«
    »Davon muss man im Falle Dietrich Reinstetters wohl ausgehen«,
bestätigte Krieg und klang doch keineswegs so, als wolle er damit seine Schuld
eingestehen. Er dachte an den Moment, als er beim Patienten Reinstetter zur
Mittagszeit noch mal nach dem »Rechten« geschaut und schließlich das Amanitin
in die Pilzsuppe geträufelt hatte, die auf dem Rollwagen im Flur bereits auf
ihren Verzehr wartete. Um die Mittagszeit war es immer sehr ruhig in der Tannenklinik,
niemand hatte ihn bemerkt. Krieg hatte extra stark dosiert, damit die Organe
des Patienten auch wirklich angegriffen wurden und eine Spende damit unmöglich
gemacht wurde.
    Dietrich Reinstetters Tod hatte er billigend in Kauf genommen. Dass
dann aber gleich die sechsfache Dosis im Urin des Toten nachgewiesen wurde?
Hatte er wirklich so viel Amanitin verabreicht?
    »Du hast Dietrich umgebracht«, betonte Hermann Reinstetter wieder.
»Und die Zerstörung seiner Leber ist nun auch mein Todesurteil. An mir hast du
somit deinen dritten Mord begangen – einen indirekten.« Er sagte es gefasst,
sachlich.
    Die Rötung im gelblichen Gesicht sprach gleichwohl dagegen.
    Langsam zog Reinstetter eine Spritze aus seiner Jackentasche – eine
Spritze, die Blut enthielt. »Ich werde dich jetzt mit meinem Blut infizieren«,
sagte er und bewegte sich noch einen Schritt auf Krieg zu. »Ich muss dir nicht
sagen, welche Folgen das für dich haben wird. Ich habe Hepatitis C – die
schlimmste Form, wie du weißt.«
    Sein rechter Arm schnellte nach vorne.
    In den ruhig dasitzenden Chefarzt kam Bewegung. Er wich aus, doch
auch Reinstetter setzte nach. Es entwickelte sich ein kurzes Handgemenge, bei
dem unter anderem das gerahmte Bild vom Schreibtisch fiel.
    Da klopfte es an der Tür.
    Krieg
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